Widerruf bei vorbeugenden Maßnahmen
- Widerruf bei vorbeugenden Maßnahmen
- Voraussetzungen für den Widerruf
- Gerichtliche Entscheidung und Alternativen
- Verlängerung der Probezeit
- Medizinische Behandlung und Unterbringung
- Neue Maßnahme während der Probezeit
- Ausnahme: Aussichtslosigkeit der Behandlung
- Rechtliche Bewertung
- Ihre Vorteile mit anwaltlicher Unterstützung
- Häufig gestellte Fragen – FAQ
Widerruf bei vorbeugenden Maßnahmen
Der Widerruf nach § 54 StGB betrifft Personen, die bedingt aus einer vorbeugenden Maßnahme entlassen wurden, etwa aus einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder einer Einrichtung nach den §§ 21 bis 23 StGB. Diese Maßnahmen dienen nicht der Bestrafung, sondern dem Schutz der Allgemeinheit und der Behandlung jener, deren psychische Störung oder Abhängigkeit zur Tat geführt hat. Wird deutlich, dass die Gefährlichkeit weiterhin besteht oder der Betroffene die Auflagen nicht befolgt, kann das Gericht die Entlassung widerrufen und die Maßnahme neuerlich vollziehen.
Ein Widerruf nach § 54 StGB liegt vor, wenn das Gericht eine bedingte Entlassung aus einer vorbeugenden Maßnahme aufhebt, weil die Gefährlichkeit der Person fortbesteht.
Voraussetzungen für den Widerruf
Der Widerruf erfolgt nach denselben Grundsätzen wie in § 53 StGB. Maßgeblich ist, ob die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, noch besteht und ob der Widerruf erforderlich ist, um weitere Straftaten zu verhindern.
Nach § 53 StGB kommen zwei Grundkonstellationen in Betracht. Erstens eine neue strafbare Handlung innerhalb der Probezeit, die zu einer Verurteilung führt. Zweitens ein erhebliches Weisungsversagen, etwa die mutwillige Nichtbefolgung förmlich erteilter Weisungen oder die beharrliche Entziehung vom Einfluss der Bewährungshilfe. In beiden Fällen prüft das Gericht, ob der Widerruf wirklich geboten ist. Ein Automatismus besteht nicht. Vor einem Widerruf hat das Gericht gelindere Mittel zu erwägen, insbesondere die Verlängerung der Probezeit, die Erteilung zusätzlicher Weisungen sowie die Anordnung oder Fortsetzung der Bewährungshilfe.
Typische Widerrufsgründe sind
- Rückfälle in Sucht oder Gewalt,
- die Verweigerung therapeutischer Weisungen,
- der Abbruch von Behandlung oder Nachsorge,
- neue strafbare Handlungen, die eine fortbestehende Gefahr erkennen lassen.
Das Gericht prüft stets, ob eine stabile Lebensführung außerhalb der Einrichtung realistisch ist oder ob eine Rückführung in die Maßnahme notwendig erscheint, um erneute Straftaten zu verhindern.
Gerichtliche Entscheidung und Alternativen
Ein Widerruf darf nur ausgesprochen werden, wenn mildere Maßnahmen nicht ausreichen. Als Alternativen kommen in Betracht:
- Verlängerung der Probezeit,
- neue Therapie- oder Meldeweisungen,
- engere Betreuung durch Bewährungshilfe,
- Fortsetzung einer ambulanten Behandlung unter ärztlicher Aufsicht.
Das Gericht ist verpflichtet, stets das gelindeste geeignete Mittel zu wählen. Erst wenn alle anderen Maßnahmen erfolglos oder unzureichend sind, darf ein Widerruf erfolgen.
Sebastian RiedlmairHarlander & Partner Rechtsanwälte „Der Widerruf nach § 54 StGB ist kein Ausdruck des Scheiterns einer Behandlung, sondern eine Konsequenz fortbestehender Gefährlichkeit. Er dient der Sicherung der Rechtsordnung und dem Schutz der Allgemeinheit, nicht der Bestrafung.“
Verlängerung der Probezeit
Wenn die Entlassung aus einer Anstalt nach § 21 StGB nicht widerrufen wird, kann das Gericht die Probezeit bis auf höchstens fünfzehn Jahre verlängern.
Beträgt die ursprünglich bestimmte Probezeit fünf Jahre, darf sie höchstens auf zehn Jahre verlängert werden.
Gegen Ende der ursprünglichen oder verlängerten Probezeit kann das Gericht eine weitere Verlängerung um bis zu drei Jahre anordnen, wenn besondere Gründe dafür sprechen, dass es weiterhin der Androhung der Unterbringung bedarf, um die Gefährlichkeit hintanzuhalten.
Eine wiederholte Verlängerung ist ausdrücklich zulässig.
Zugleich prüft das Gericht, ob neue Weisungen zu erteilen sind und ob Bewährungshilfe erforderlich ist.
Medizinische Behandlung und Unterbringung
Wurde im Rahmen der bedingten Entlassung die Weisung erteilt, sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen, und besteht der begründete Verdacht, dass der Betroffene diese Weisung nicht befolgt, kann das Gericht eine stationäre Behandlung veranlassen.
In solchen Fällen ist die Sicherheitsbehörde zu verständigen, die nach § 9 Unterbringungsgesetz (UbG) vorzugehen hat. Das Gericht wird über die eingeleiteten Maßnahmen informiert und entscheidet, ob die Entlassung aufrechterhalten bleibt oder zu widerrufen ist.
Neue Maßnahme während der Probezeit
Begeht der Betroffene während der Probezeit eine neue strafbare Handlung und wird daraufhin erneut eine vorbeugende Maßnahme nach den §§ 21 bis 23 StGB angeordnet, wird die frühere Anordnung gegenstandslos.
Damit soll sichergestellt werden, dass nur eine aktuelle Maßnahme gilt und keine Doppelregelung entsteht.
Ausnahme: Aussichtslosigkeit der Behandlung
Ein Widerruf ist nicht zulässig, wenn die Fortsetzung der Behandlung von vornherein aussichtslos erscheint. In diesen Fällen hätte eine Rückführung in die Einrichtung keinen therapeutischen oder sicherheitsrelevanten Nutzen. Das Gericht darf daher die Entlassung nicht widerrufen.
Rechtliche Bewertung
§ 54 StGB ergänzt das System der bedingten Entlassungen um einen spezialpräventiven Schutzmechanismus. Er verbindet Sicherheit und Therapie in einem abgestuften Verfahren.
Ziel ist, die Gesellschaft zu schützen, ohne unnötig in die Freiheit des Einzelnen einzugreifen.
Die gerichtliche Entscheidung muss daher immer auf einer aktuellen Gefährlichkeitsprognose beruhen und auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestützt sein.
Ihre Vorteile mit anwaltlicher Unterstützung
Ein Strafverfahren ist für Betroffene eine erhebliche Belastung. Schon zu Beginn drohen schwerwiegende Folgen – von Zwangsmaßnahmen wie Hausdurchsuchung oder Festnahme über Eintragungen im Strafregister bis hin zu Freiheits- oder Geldstrafen. Fehler in der ersten Phase, etwa unbedachte Aussagen oder fehlende Beweissicherung, lassen sich später oft nicht mehr korrigieren. Auch wirtschaftliche Risiken wie Schadenersatzansprüche oder Kosten des Verfahrens können massiv ins Gewicht fallen.
Eine spezialisierte Strafverteidigung sorgt dafür, dass Ihre Rechte von Anfang an gewahrt bleiben. Sie gibt Sicherheit im Umgang mit Polizei und Staatsanwaltschaft, schützt vor Selbstbelastung und schafft die Basis für eine klare Verteidigungsstrategie.
Unsere Kanzlei:
- prüft, ob und in welchem Umfang der Tatvorwurf rechtlich tragfähig ist,
- begleitet Sie durch Ermittlungsverfahren und Hauptverhandlung,
- sorgt für rechtssichere Anträge, Stellungnahmen und Verfahrensschritte,
- unterstützt bei der Abwehr oder Regulierung von zivilrechtlichen Ansprüchen,
- wahrt Ihre Rechte und Interessen gegenüber Gericht, Staatsanwaltschaft und Geschädigten
Peter HarlanderHarlander & Partner Rechtsanwälte „Machen Sie keine inhaltlichen Aussagen ohne vorherige Rücksprache mit Ihrer Verteidigung. Sie haben jederzeit das Recht zu schweigen und eine Anwältin oder einen Anwalt beizuziehen. Dieses Recht gilt bereits bei der ersten polizeilichen Kontaktaufnahme. Erst nach Akteneinsicht lässt sich klären, ob und welche Einlassung sinnvoll ist.“