Widerruf der bedingten Strafnachsicht und der bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe
- Widerruf der bedingten Strafnachsicht und der bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe
- Voraussetzungen des Widerrufs
- Maßstab des Gerichts
- Besonderheiten bei schweren oder lebenslangen Strafen
- Verfahren und Ablauf
- Widerrufsfrist nach § 56 StGB
- Praxisbeispiel
- Rechtliche Bewertung und Alternativen
- Ihre Vorteile mit anwaltlicher Unterstützung
- Häufig gestellte Fragen – FAQ
Widerruf der bedingten Strafnachsicht und der bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe
Der Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder der bedingten Entlassung gemäß §53 StGB bedeutet, dass ein ursprünglich ausgesetzter oder nur teilweise vollzogener Strafrest nachträglich wieder vollstreckt wird. Das Gericht ordnet den Widerruf an, wenn sich während der Probezeit zeigt, dass der Verurteilte die in ihn gesetzte Erwartung nicht erfüllt, etwa weil er erneut straffällig geworden ist oder erheblich gegen Weisungen verstößt. Der Widerruf ist eine Maßnahme des gerichtlichen Schutzes der Allgemeinheit und zugleich eine Reaktion auf den Vertrauensbruch gegenüber der gewährten Strafmilderung.
Ein Widerruf führt dazu, dass eine bedingt nachgesehene Strafe oder eine bedingte Entlassung nachträglich vollzogen wird, wenn der Betroffene gegen Auflagen verstößt oder neuerlich eine Straftat begeht.
Voraussetzungen des Widerrufs
§ 53 StGB nennt zwei Hauptgründe, die den Widerruf rechtfertigen können:
- Neue Straftat während der Probezeit
Wird die betroffene Person wegen einer in der Probezeit begangenen neuen strafbaren Handlung verurteilt, kann das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder Entlassung widerrufen, wenn dies erforderlich ist, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten.
Das Gesetz verlangt also keine automatische Rückversetzung in den Strafvollzug,sondern das Gericht muss prüfen, ob der Widerruf wirklich notwendig ist. - Weisungsverstoß oder Entzug von Bewährungshilfe
Auch die wiederholte oder mutwillige Missachtung gerichtlicher Weisungen oder die beharrliche Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe kann den Widerruf rechtfertigen. Entscheidend ist wiederum, ob der Widerruf im konkreten Fall geboten erscheint.
Maßstab des Gerichts
Das Gericht hat den Widerruf nur dann auszusprechen, wenn mildere Mittel nicht ausreichen, um den Verurteilten von weiteren Straftaten abzuhalten.
Als gelindere Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht:
- Verlängerung der Probezeit (bis zu fünf Jahre, bei lebenslangen Strafen bis zu fünfzehn Jahre),
- Erteilung neuer oder strengerer Weisungen,
- Anordnung oder Fortsetzung der Bewährungshilfe.
Diese Stufenlogik dient der Verhältnismäßigkeit: Der Widerruf ist ultima ratio, kein Automatismus.
Sebastian RiedlmairHarlander & Partner Rechtsanwälte „Der Widerruf ist kein Strafschärfungsinstrument, sondern ein Mittel zur Sicherung der gerichtlichen Prognose. Er greift nur dann, wenn das ursprünglich gewährte Vertrauen durch neues Fehlverhalten objektiv erschüttert wurde.“
Besonderheiten bei schweren oder lebenslangen Strafen
Bei lebenslanger Freiheitsstrafe gilt der verbleibende Strafrest nach einem Widerruf als Strafrest einer zehnjährigen Freiheitsstrafe, um eine spätere neuerliche bedingte Entlassung überhaupt zu ermöglichen.
Bei Delikten gegen die sexuelle Integrität oder bei Fällen mit gerichtlicher Aufsicht kann die Probezeit ausnahmsweise mehrfach verlängert werden, wenn eine weitere Erprobung erforderlich ist.
Verfahren und Ablauf
Vor dem Widerruf muss das Gericht:
- die Berichte der Bewährungshilfe und eventuelle Polizeimeldungen einholen,
- den Verurteilten anhören und Gelegenheit zur Stellungnahme geben,
- prüfen, ob eine Verlängerung der Probezeit genügt,
- den Widerruf mit einer klaren Begründung versehen, warum er „geboten“ ist.
Erst dann darf die Strafe oder der Strafrest vollzogen werden.
Das Verfahren erfolgt in der Regel schriftlich, kann aber bei komplexen Fällen eine mündliche Verhandlung umfassen.
Widerrufsfrist nach § 56 StGB
Das Gericht kann Widerrufsentscheidungen während der Probezeit treffen. Bei einer in der Probezeit begangenen Straftat ist eine Entscheidung auch innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf anhängigen Strafverfahrens möglich.
Praxisbeispiel
Ein wegen schwerer Körperverletzung bedingt entlassener Täter begeht innerhalb der Probezeit neuerlich eine gefährliche Drohung. Das Gericht stellt fest, dass der Mann zwar berufstätig ist, sich jedoch von seinem Bewährungshelfer abgewandt und keine Einsicht gezeigt hat. Da das Rückfallrisiko als erheblich gilt, wird die bedingte Entlassung widerrufen und der Strafrest vollzogen.
Rechtliche Bewertung und Alternativen
Der Widerruf ist kein Automatismus, sondern ein Ermessensakt des Gerichts, der immer an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden bleibt.
Nur wenn eine Fortführung der Bewährung keine realistische Aussicht auf Stabilisierung mehr bietet, darf das Gericht den Widerruf anordnen.
In allen anderen Fällen ist eine Verlängerung der Probezeit oder die Erteilung neuer Auflagen vorzuziehen.
Ihre Vorteile mit anwaltlicher Unterstützung
Ein Strafverfahren ist für Betroffene eine erhebliche Belastung. Schon zu Beginn drohen schwerwiegende Folgen – von Zwangsmaßnahmen wie Hausdurchsuchung oder Festnahme über Eintragungen im Strafregister bis hin zu Freiheits- oder Geldstrafen. Fehler in der ersten Phase, etwa unbedachte Aussagen oder fehlende Beweissicherung, lassen sich später oft nicht mehr korrigieren. Auch wirtschaftliche Risiken wie Schadenersatzansprüche oder Kosten des Verfahrens können massiv ins Gewicht fallen.
Eine spezialisierte Strafverteidigung sorgt dafür, dass Ihre Rechte von Anfang an gewahrt bleiben. Sie gibt Sicherheit im Umgang mit Polizei und Staatsanwaltschaft, schützt vor Selbstbelastung und schafft die Basis für eine klare Verteidigungsstrategie.
Unsere Kanzlei:
- prüft, ob und in welchem Umfang der Tatvorwurf rechtlich tragfähig ist,
- begleitet Sie durch Ermittlungsverfahren und Hauptverhandlung,
- sorgt für rechtssichere Anträge, Stellungnahmen und Verfahrensschritte,
- unterstützt bei der Abwehr oder Regulierung von zivilrechtlichen Ansprüchen,
- wahrt Ihre Rechte und Interessen gegenüber Gericht, Staatsanwaltschaft und Geschädigten
Peter HarlanderHarlander & Partner Rechtsanwälte „Machen Sie keine inhaltlichen Aussagen ohne vorherige Rücksprache mit Ihrer Verteidigung. Sie haben jederzeit das Recht zu schweigen und eine Anwältin oder einen Anwalt beizuziehen. Dieses Recht gilt bereits bei der ersten polizeilichen Kontaktaufnahme. Erst nach Akteneinsicht lässt sich klären, ob und welche Einlassung sinnvoll ist.“