Unterlassung der Hilfeleistung
- Unterlassung der Hilfeleistung
- Objektiver Tatbestand
- Qualifizierende Umstände
- Abgrenzung zu anderen Delikten
- Beweislast & Beweiswürdigung
- Praxisbeispiele
- Subjektiver Tatbestand
- Schuld & Irrtümer
- Strafaufhebung & Diversion
- Strafzumessung & Folgen
- Strafrahmen
- Geldstrafe – Tagessatzsystem
- Freiheitsstrafe & (teil)bedingte Nachsicht
- Zuständigkeit der Gerichte
- Zivilansprüche im Strafverfahren
- Strafverfahren im Überblick
- Beschuldigtenrechte
- Praxis & Verhaltenstipps
- Ihre Vorteile mit anwaltlicher Unterstützung
- FAQ – Häufig gestellte Fragen
Unterlassung der Hilfeleistung
Unterlassung der Hilfeleistung gemäß § 95 StGB betrifft Situationen, in denen jemand eine andere Person in unmittelbarer Lebensgefahr erkennt, Hilfe leisten könnte, dies aber bewusst unterlässt. Das Delikt ist kein bloßer Anstandsverstoß, sondern ein eigenständiger Straftatbestand, der die gesellschaftliche Pflicht zur gegenseitigen Hilfe rechtlich absichert.
Strafbar ist, wer in einer klar erkennbaren Notlage nichts unternimmt, obwohl er ohne erhebliche Eigengefährdung helfen oder Hilfe veranlassen könnte. Schon der Anruf bei der Rettung oder das Alarmieren anderer Personen genügt, um dieser Pflicht nachzukommen. Es geht nicht um heroische Selbstaufopferung, sondern um die grundlegende Verantwortung füreinander.
Wer eine Person in unmittelbarer Lebensgefahr sieht und keine zumutbare Hilfe leistet oder Hilfe veranlasst, begeht eine Unterlassung der Hilfeleistung und macht sich strafbar.
Peter HarlanderHarlander & Partner Rechtsanwälte „Unterlassene Hilfe ist kein Zufall, sondern eine Entscheidung. Verantwortung endet nicht an der Bordsteinkante.“
Objektiver Tatbestand
Der Tatbestand der Unterlassung der Hilfeleistung betrifft Situationen, in denen jemand bei einem Unglücksfall oder einer Gemeingefahr keine Hilfe leistet, obwohl sie offensichtlich erforderlich und zumutbar wäre. Strafbar ist also nicht die Verursachung des Unfalls, sondern das bewusste Nichtstun, wenn ein Mensch sich in Lebensgefahr oder in Gefahr einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung befindet.
Wer eine solche Situation erkennt und nicht handelt, obwohl er durch einfache Maßnahmen wie Notruf, Erste Hilfe oder das Herbeiholen Dritter eine Rettung ermöglichen oder erleichtern könnte, erfüllt den objektiven Tatbestand. Die Hilfeleistung muss dabei möglich, erforderlich und offensichtlich geboten sein.
Prüfungsschritte
Tatobjekt: Eine Person, die sich in einer Gefahr des Todes oder in Gefahr einer erheblichen Verletzungs- oder Gesundheitsschädigung befindet.
Tathandlung: Das bewusste Unterlassen einer erkennbar notwendigen und zumutbaren Hilfeleistung. Als Hilfe gelten insbesondere Erste-Hilfe-Maßnahmen, Absicherung der Gefahrenstelle, Alarmierung der Rettungskräfte oder andere geeignete Handlungen zur Abwehr der Gefahr.
Taterfolg: Der gefährdete Mensch bleibt ohne Hilfe in einer konkreten Gefahrenlage. Hat die Unterlassung den Tod eines Menschen zur Folge, liegt eine erschwerte Tatvariante vor.
Kausalität: Das Unterlassen ist kausal, wenn die versäumte Handlung eine reale Chance auf Rettung geboten hätte oder der eingetretene Schaden durch rechtzeitige Hilfe vermeidbar gewesen wäre.
Objektive Zurechnung: Der Erfolg ist zurechenbar, wenn der Täter eine Rettungspflicht hatte, diese pflichtwidrig unterlassen und dadurch die Gefahr fortbestehen oder sich verschärfen ließ.
Qualifizierende Umstände
Todesfolge: Wenn die unterlassene Hilfeleistung zum Tod eines Menschen führt, ist eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen vorgesehen.
Zumutbarkeitsgrenze: Keine Strafbarkeit besteht, wenn die Hilfeleistung nicht zumutbar war, etwa weil sie nur unter erheblicher Gefahr für das eigene Leben oder die Gesundheit oder unter Verletzung anderer wesentlicher Interessen möglich gewesen wäre.
Konkurrenzregel: Eine gesonderte Bestrafung entfällt, wenn der Täter bereits aufgrund eines schwereren Delikts wie Körperverletzung oder Tötung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird.
Sebastian RiedlmairHarlander & Partner Rechtsanwälte „Das Gesetz unterscheidet genau. Nicht jede Untätigkeit ist strafbar, aber jede bewusste Gleichgültigkeit ist verwerflich.“
Abgrenzung zu anderen Delikten
- § 83 StGB – Körperverletzung: Vorsätzliche Verletzung einer anderen Person. Erfordert eine gezielte oder billigend in Kauf genommene Schädigung. Der Tatbestand betrifft aktives Tun, nicht Unterlassen.
- § 84 StGB – Schwere Körperverletzung: Führt die Tat zu einer dauerhaften Gesundheitsschädigung oder erheblichen körperlichen Beeinträchtigung, liegt eine Qualifikation zur einfachen Körperverletzung vor.
- § 85 StGB – Absichtliche schwere Körperverletzung: Die schwere Folge wird mit Vorsatz herbeigeführt. Der Täter will die gravierende Verletzung und handelt zielgerichtet.
- § 86 StGB – Körperverletzung mit tödlichem Ausgang: Der Täter verletzt vorsätzlich, der Tod tritt jedoch unbeabsichtigt als Folge ein.
- § 88 StGB – Fahrlässige Körperverletzung: Eine Sorgfaltsverletzung ohne Vorsatz. Der Täter hätte die Gefahr erkennen und vermeiden können, handelt aber leichtsinnig oder unaufmerksam.
- § 91 StGB – Raufhandel: Keine gezielte Körperverletzung, sondern Teilnahme an einer unübersichtlichen Auseinandersetzung mit mindestens drei aktiv Beteiligten. Strafbar ist bereits das Mitwirken, wenn jemand verletzt oder getötet wird und der eigene Beitrag nicht ausgeschlossen werden kann.
- § 94 StGB – Imstichlassen eines Verletzten: Bestraft wird das Unterlassen der Hilfeleistung gegenüber einem Menschen, den man selbst verletzt hat. Entscheidend ist die erkannte Hilfsbedürftigkeit und die Möglichkeit zur Hilfe ohne erhebliche Eigengefährdung.
- § 95 StGB – Unterlassung der Hilfeleistung: Erfasst das Nichtleisten offensichtlicher Hilfe bei einem Unglücksfall oder einer Gemeingefahr, auch ohne eigenes Verschulden. Strafbar ist das bewusste Unterlassen einer erforderlichen und zumutbaren Hilfeleistung, wenn dadurch das Leben oder die Gesundheit eines anderen ernsthaft gefährdet bleibt.
Das Imstichlassen eines Verletzten und die Unterlassung der Hilfeleistung unterscheiden sich dadurch, dass Imstichlassen eines Verletzten eine eigenverursachte Gefahr voraussetzt, während Unterlassung der Hilfeleistung auch denjenigen trifft, der nur zufällig Zeuge eines Notfalls wird und trotz erkennbarer Gefahr nichts unternimmt.
Beweislast & Beweiswürdigung
- Staatsanwaltschaft: trägt die Überzeugungslast für Verursachung, Hilfsbedürftigkeit, Möglichkeit und Zumutbarkeit der Hilfeleistung sowie für einen allfälligen Zusammenhang zwischen Unterlassen und eingetretener Folge.
- Gericht: ordnet und würdigt alle Beweise; ungeeignete oder rechtswidrig erlangte Beweise sind nicht verwertbar. Maßgeblich ist, ob eine reale Rettungschance bestand und ob der Täter diese erkennbar ungenutzt ließ.
- Beschuldigte:r: keine Beweislast; darf Zweifel an der Erkennbarkeit, Zumutbarkeit oder Kausalität aufzeigen und auf Verwertungsverbote oder Lücken hinweisen.
Typische Belege: medizinische Befunde/Bilder, neutrale Zeugen, Video/CCTV/Bodycam, Spurenbilder, digitale Daten (Zeit/Ort/Metadaten), sachverständige Rekonstruktionen.
Peter HarlanderHarlander & Partner Rechtsanwälte „Beweise müssen Wirklichkeit abbilden, nicht Emotionen. Nur gesicherte Fakten tragen eine gerechte Entscheidung.“
Praxisbeispiele
- Flucht nach einem Unfall: Nach einer Kollision oder einem Sturz erkennt der Täter, dass eine Person schwer verletzt ist, leistet aber keine Hilfe und entfernt sich. Das bloße Wegfahren oder Weggehen, ohne zumindest den Notruf zu verständigen, erfüllt den Tatbestand der Unterlassung der Hilfeleistung.
- Fahrerflucht bei Personenschaden: Eine Lenkerin erfasst einen Fußgänger, erkennt die Verletzungsgefahr und setzt ihre Fahrt fort, ohne Hilfe zu organisieren. Auch wenn der Unfall unabsichtlich geschah, ist das Nichtleisten offensichtlicher Hilfe strafbar.
- Freizeitunfall: Nach einem Sturz beim Wandern oder Klettern bemerkt der Begleiter deutliche Anzeichen einer schweren Verletzung, etwa Bewusstlosigkeit oder Lähmungserscheinungen, und reagiert nicht. Das Nichtalarmieren von Rettungskräften begründet strafrechtliche Verantwortung.
- Arbeitsunfall: Ein Mitarbeiter verletzt sich bei einem riskanten Arbeitsschritt. Der Vorgesetzte oder Kollege verlässt die Gefahrenstelle, ohne Erste Hilfe zu leisten oder Unterstützung zu holen. Auch hier liegt Unterlassung der Hilfeleistung vor.
- Unzumutbarkeit der Hilfe: Eine Person wird bei einem Brand oder Unfall verletzt. Hilfe wäre nur möglich, indem man sich selbst erheblicher Lebensgefahr aussetzt. In diesem Fall ist die Hilfeleistung nicht zumutbar und daher nicht strafbar.
Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand der Unterlassung der Hilfeleistung setzt Vorsatz voraus. Der Täter muss wissen oder zumindest ernstlich für möglich halten, dass sich eine Person in Lebensgefahr oder erheblicher Gesundheitsgefahr befindet, dass Hilfe erforderlich und möglich wäre, und sich dennoch bewusst dagegen entscheiden, etwas zu tun.
Eine Absicht, die Folgen zu verschlimmern, ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Täter gleichgültig oder passiv bleibt, obwohl ihm die Notlage erkennbar ist. Wer eine offensichtliche Gefahr wahrnimmt und trotzdem nicht handelt, erfüllt den subjektiven Tatbestand.
Kein Vorsatz liegt vor, wenn die Situation objektiv nicht als hilfsbedürftig erkennbar war oder wenn jemand aufgrund von Schock, Überforderung oder Angst kurzfristig nicht handlungsfähig ist. Ebenso entfällt der Tatvorsatz, wenn Hilfe tatsächlich unmöglich oder unzumutbar war.
Entscheidend ist, ob der Täter die Gefahr erkennen konnte und musste und sich bewusst dafür entschied, untätig zu bleiben, obwohl er rechtlich verpflichtet und tatsächlich in der Lage gewesen wäre, Hilfe zu leisten.
Jetzt Wunschtermin wählen:Kostenloses ErstgesprächSchuld & Irrtümer
- Verbotsirrtum: Entschuldigt nur, wenn der Irrtum unvermeidbar war. Jeder ist verpflichtet, sich über die Rechtslage kundig zu machen.
- Schuldprinzip: Strafbar ist nur, wer schuldhaft handelt; Fahrlässigkeit setzt Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Erfolgs voraus.
- Zurechnungsunfähigkeit: Keine Schuld bei schwerer seelischer Störung oder krankhafter Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. Bestehen Anhaltspunkte, ist ein forensisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen.
- Entschuldigender Notstand: Gilt bei Unzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens in einer extremen Zwangslage,wie etwa wenn Hilfeleistung oder Rettung das eigene Leben ernstlich gefährden würde.
- Putativnotwehr: Ein Irrtum über das Vorliegen einer Rechtfertigung schließt den Vorsatz aus, lässt aber die Fahrlässigkeit unberührt, wenn der Sorgfaltsverstoß bestehen bleibt. Auch hier gilt: Wer erkennbar riskant handelt, kann sich nicht auf vermeintliche Rechtfertigungen berufen.
Strafaufhebung & Diversion
Rücktritt vom Versuch
Ein Rücktritt ist beim der Unterlassung der Hilfeleistung grundsätzlich nicht möglich, da die Tat bereits mit dem pflichtwidrigen Unterlassen der Hilfeleistung vollendet ist.
Wer jedoch rechtzeitig und freiwillig Hilfe leistet, bevor schwerere Folgen eintreten, kann eine Strafmilderung erreichen oder den Vorwurf deutlich abschwächen. Entscheidend sind der Zeitpunkt, die Wirksamkeit der nachträglichen Hilfe und die erkennbare Einsicht, die Pflichtverletzung zu korrigieren.
Diversion
Eine Diversion kommt in Betracht, wenn die Schuld gering, der Sachverhalt geklärt und der Beschuldigte einsichtig ist. Mögliche Maßnahmen sind Geldleistungen, gemeinnützige Arbeit, Bewährungshilfe oder ein Tatausgleich. Wird das Verfahren diversionell erledigt, erfolgt kein Schuldspruch und kein Eintrag ins Strafregister.
Eine Diversion ist nicht möglich, wenn die unterlassene Hilfeleistung zum Tod eines Menschen geführt hat oder der Täter bewusst geflüchtet ist, um Verantwortung zu vermeiden. In weniger gravierenden Fällen kann sie jedoch bei Geständnis, Einsicht und aktiver Schadensgutmachung eine sachgerechte Lösung ohne Gerichtsverurteilung darstellen.
Sebastian RiedlmairHarlander & Partner Rechtsanwälte „Strafzumessung zeigt, wie das Gericht Charakter bewertet, nicht nur Tatfolgen.“
Strafzumessung & Folgen
Die Höhe der Strafe beim Imstichlassen eines Verletzten richtet sich nach der Schwere der Pflichtverletzung, den eingetretenen Folgen und dem persönlichen Verschulden. Entscheidend ist, ob deDie Strafe bei der Unterlassung der Hilfeleistung richtet sich nach der Schwere der Pflichtverletzung, den eingetretenen Folgen und dem persönlichen Verschulden. Entscheidend ist, ob der Täter die Gefahr bewusst ignoriert oder lediglich aus Schock, Angst oder Überforderung nicht reagiert hat. Maßgeblich sind auch das Verhalten nach der Tat, die Einsichtsfähigkeit und die Bereitschaft zur Wiedergutmachung.
Erschwerungsgründe bestehen insbesondere, wenn
- der Täter flüchtet, anstatt Hilfe zu leisten,
- das Opfer bewusst hilflos zurückgelassen wird,
- die Unterlassung zum Tod oder zu erheblichen Folgen führt,
- oder der Täter bereits wegen ähnlicher Pflichtverletzungen auffällig war.
Milderungsgründe sind etwa
- Unbescholtenheit,
- ein Geständnis oder Zeichen aufrichtiger Reue,
- spätere Schadensgutmachung oder aktive Hilfeleistung,
- eine Schock- oder Ausnahmesituation während des Geschehens,
- oder eine überlange Dauer des Strafverfahrens.
Das österreichische Strafrecht sieht bei Geldstrafen das Tagessatzsystem vor.
Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach der Schuldschwere, der einzelne Tagessatz nach den Einkommensverhältnissen. Dadurch bleibt die Strafe vergleichbar spürbar. Wird sie nicht bezahlt, kann eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden.
Eine Freiheitsstrafe kann ganz oder teilweise bedingt nachgesehen werden, wenn sie zwei Jahre nicht übersteigt und eine positive Sozialprognose besteht. Der Verurteilte bleibt dann auf freiem Fuß, muss sich jedoch während einer Probezeit von ein bis drei Jahren bewähren. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Strafe bei Einhaltung aller Auflagen als endgültig nachgesehen.
Das Gericht kann zusätzlich Weisungen erteilen, etwa zur Schadensgutmachung, zur Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs oder einer Therapie, oder eine Bewährungshilfe anordnen. Diese Maßnahmen sollen künftige Pflichtverletzungen verhindern und die soziale Wiedereingliederung des Täters fördern.
Strafrahmen
Bei der Unterlassung der Hilfeleistung hängt die Strafe vom Ausmaß der Folgen ab:
Grundtatbestand: Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen.
Todesfolge: Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen.
Der Strafrahmen berücksichtigt, dass es sich nicht um eine aktive Schädigungshandlung, sondern um das bewusste Unterlassen einer gebotenen Hilfeleistung handelt. Das Verhalten wiegt jedoch schwer, weil der Täter einen Menschen in akuter Lebensgefahr wissentlich ohne Unterstützung zurücklässt, obwohl Hilfe möglich und zumutbar gewesen wäre.
Peter HarlanderHarlander & Partner Rechtsanwälte „Die Strafzumessung bewertet Pflichtverletzung, Einsicht und Folgeschwere – nicht die öffentliche Empörung.“
Geldstrafe – Tagessatzsystem
- Spanne: bis 720 Tagessätze (Zahl der Tagessätze = Schuldmaß; Betrag/Tag = Leistungsfähigkeit; min. € 4,00 , max. € 5.000,00).
- Praxisformel: 6 Monate Freiheitsstrafe ≈ 360 Tagessätze (Orientierung, nicht Schema).
- Uneinbringlichkeit: Ersatzfreiheitsstrafe (in der Regel gilt: 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe = 2 Tagessätze).
Freiheitsstrafe & (teil)bedingte Nachsicht
§ 37 StGB: Wenn die gesetzliche Strafdrohung bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht, soll das Gericht anstelle einer kurzen Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr eine Geldstrafe verhängen. Diese Bestimmung ist auch bei der Unterlassung der Hilfeleistung relevant, da sie in weniger gravierenden Fällen eine Freiheitsstrafe vermeiden kann, sofern keine spezial- oder generalpräventiven Gründe dagegen sprechen.
§ 43 StGB: Eine Freiheitsstrafe kann bedingt nachgesehen werden, wenn sie zwei Jahre nicht übersteigt und dem Verurteilten eine positive Sozialprognose bescheinigt wird. Die Probezeit beträgt ein bis drei Jahre. Wird sie ohne Widerruf absolviert, gilt die Strafe als endgültig nachgesehen.
§ 43a StGB: Die teilbedingte Nachsicht erlaubt eine Kombination aus unbedingtem und bedingtem Strafteil. Bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten bis zu zwei Jahren kann ein Teil bedingt nachgesehen oder durch eine Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen ersetzt werden, wenn dies nach den Umständen angemessen erscheint.
§§ 50 bis 52 StGB: Das Gericht kann zusätzlich Weisungen erteilen und Bewährungshilfe anordnen. Typische Weisungen betreffen Schadensgutmachung, Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs, Therapie, Kontakt- oder Aufenthaltsverbote sowie Maßnahmen zur sozialen Stabilisierung. Ziel ist die Vermeidung weiterer Pflichtverletzungen und die Förderung einer dauerhaften Legalbewährung.
Zuständigkeit der Gerichte
Sachliche Zuständigkeit
Fälle der Unterlassung der Hilfeleistung fallen je nach Schwere der Tatfolge unter unterschiedliche Gerichtszuständigkeiten. Beim Grundtatbestand entscheidet das Bezirksgericht durch Einzelrichter, da die Strafdrohung höchstens sechs Monate Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vorsieht.
Führt die Unterlassung zur Todesfolge, ist das Landesgericht zuständig, ebenfalls mit Einzelrichter.
Ein Schöffen- oder Geschworenengericht ist nicht vorgesehen, da der Strafrahmen höchstens ein Jahr Freiheitsstrafe beträgt.
Örtliche Zuständigkeit
Zuständig ist grundsätzlich das Gericht des Tatorts, also jenes, in dessen Sprengel die unterlassene Hilfeleistung begangen wurde oder deren Folgen eingetreten sind.
Kann der Tatort nicht eindeutig festgestellt werden, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beschuldigten, dem Ort der Festnahme oder dem Sitz der Staatsanwaltschaft.
Das Verfahren wird an jenem Ort geführt, der zweckmäßig und sachgerecht erscheint.
Instanzenzug
Gegen Urteile des Bezirksgerichts ist die Berufung an das Landesgericht zulässig.
Entscheidungen des Landesgerichts können mit Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde beim Oberlandesgericht oder beim Obersten Gerichtshof angefochten werden.
Sebastian RiedlmairHarlander & Partner Rechtsanwälte „Gerichtliche Zuständigkeit gewährleistet, dass das Verfahren dort geführt wird, wo die Tat rechtlich einzuordnen ist.“
Zivilansprüche im Strafverfahren
Bei der Unterlassung der Hilfeleistung können geschädigte Personen oder Hinterbliebene ihre zivilrechtlichen Ansprüche direkt im Strafverfahren geltend machen. Dazu zählen Arzt- und Behandlungskosten, Schmerzengeld, Verdienstentgang, Begräbniskosten, Unterhaltsausfall und seelisches Leid.
Durch den Privatbeteiligtenanschluss wird die Verjährung dieser Ansprüche für die Dauer des Strafverfahrens gehemmt. Erst nach Abschluss des Strafverfahrens läuft die Frist wieder weiter, soweit der Anspruch nicht vollständig zugesprochen wurde.
Eine freiwillige Schadensgutmachung oder eine Einigung mit dem Verletzten oder den Angehörigen kann sich mildernd auf das Strafausmaß auswirken, wenn sie rechtzeitig, ehrlich und nachvollziehbar erfolgt. Wird jedoch festgestellt, dass der Täter bewusst untätig blieb oder die Gefahrensituation verschärfte, verliert dieser Umstand in der Regel seine strafmildernde Wirkung.
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- Ermittlungsbeginn: Beschuldigtenstellung bei konkretem Verdacht; ab dann volle Beschuldigtenrechte.
- Polizei/Staatsanwaltschaft: Staatsanwaltschaft leitet, Kriminalpolizei ermittelt; Ziel: Einstellung, Diversion oder Anklage.
- Beschuldigtenvernehmung: Belehrung vorab; Verteidigerbeiziehung führt zur Aufschiebung; Schweigerecht bleibt.
- Akteneinsicht: bei Polizei/Staatsanwaltschaft/Gericht; umfasst auch Beweisgegenstände (soweit Ermittlungszweck nicht gefährdet).
- Hauptverhandlung: mündliche Beweisaufnahme, Urteil; Entscheidung über Privatbeteiligtenansprüche.
Beschuldigtenrechte
- Information & Verteidigung: Recht auf Verständigung, Verfahrenshilfe, freie Verteidigerwahl, Übersetzungshilfe, Beweisanträge.
- Schweigen & Anwalt: Schweigerecht jederzeit; bei Verteidigerbeiziehung ist die Vernehmung aufzuschieben.
- Belehrungspflicht: zeitnahe Information über Verdacht/Rechte; Ausnahmen nur zur Sicherung des Ermittlungszwecks.
- Akteneinsicht praktisch: Ermittlungs- und Hauptverfahrensakten; Einsicht Dritter begrenzt zugunsten des Beschuldigten.
Peter HarlanderHarlander & Partner Rechtsanwälte „Gerichtliche Zuständigkeit gewährleistet, dass das Verfahren dort geführt wird, wo die Tat rechtlich einzuordnen ist.“
Praxis & Verhaltenstipps
- Schweigen wahren.
Eine kurze Erklärung genügt: „Ich mache von meinem Recht zu schweigen Gebrauch und spreche zuerst mit meiner Verteidigung.“ Dieses Recht gilt bereits ab der ersten Einvernahme durch Polizei oder Staatsanwaltschaft. - Unverzüglich Verteidigung kontaktieren.
Ohne Einsicht in die Ermittlungsakten sollte keine Aussage erfolgen. Erst nach Akteneinsicht kann die Verteidigung einschätzen, welche Strategie und welche Beweissicherung sinnvoll sind. - Beweise umgehend sichern.
Ärztliche Befunde, Fotos mit Datumsangabe und Maßstab, gegebenenfalls Röntgen- oder CT-Aufnahmen anfertigen. Kleidung, Gegenstände und digitale Aufzeichnungen getrennt aufbewahren. Zeugenliste und Gedächtnisprotokolle spätestens binnen zwei Tagen erstellen. - Keinen Kontakt zur Gegenseite aufnehmen.
Eigene Nachrichten, Anrufe oder Posts können als Beweismittel gegen Sie verwendet werden. Sämtliche Kommunikation soll ausschließlich über die Verteidigung erfolgen. - Video- und Datenaufzeichnungen rechtzeitig sichern.
Überwachungsvideos in öffentlichen Verkehrsmitteln, Lokalen oder von Hausverwaltungen werden häufig nach wenigen Tagen automatisch gelöscht. Anträge auf Datensicherung müssen daher sofort an Betreiber, Polizei oder Staatsanwaltschaft gestellt werden. - Durchsuchungen und Sicherstellungen dokumentieren.
Bei Hausdurchsuchungen oder Sicherstellungen sollten Sie eine Ausfertigung der Anordnung oder Niederschrift verlangen. Notieren Sie Datum, Uhrzeit, beteiligte Personen und alle mitgenommenen Gegenstände. - Bei Festnahme: keine Aussagen zur Sache.
Bestehen Sie auf sofortige Verständigung Ihrer Verteidigung. Untersuchungshaft darf nur bei dringendem Tatverdacht und zusätzlichem Haftgrund verhängt werden. Gelindere Mittel (z. B. Gelöbnis, Meldepflicht, Kontaktverbot) sind vorrangig. - Schadensgutmachung gezielt vorbereiten.
Zahlungen oder Wiedergutmachungsangebote sollen ausschließlich über die Verteidigung abgewickelt und belegt werden. Eine strukturierte Schadensgutmachung wirkt sich positiv auf Diversion und Strafbemessung aus.
Sebastian RiedlmairHarlander & Partner Rechtsanwälte „Objektive Befunde, neutrale Zeugen und gesicherte Videodaten tragen das Verfahren – nicht Vermutungen oder Erklärchats.“
Ihre Vorteile mit anwaltlicher Unterstützung
Fälle der Unterlassung der Hilfeleistung zählen zu den sensibelsten Körperverletzungsdelikten. Solche Situationen entstehen häufig aus Schock, Überforderung oder Angst vor Konsequenzen. Was zunächst wie eine spontane Fehlreaktion wirkt, kann erhebliche strafrechtliche Folgen haben, wenn eine verletzte Person ohne zumutbare Hilfe zurückgelassen wird.
Die rechtliche Bewertung hängt davon ab, wie klar erkennbar die Hilfsbedürftigkeit war, welche Handlungen möglich gewesen wären und ob das Unterlassen tatsächlich zum Schaden beigetragen hat. Schon geringe Unterschiede in Zeugenaussagen, medizinischen Befunden oder digitalen Beweismitteln können entscheidend für die rechtliche Einordnung sein.
Eine frühzeitige anwaltliche Vertretung ist daher unerlässlich. Sie hilft, den tatsächlichen Ablauf zu rekonstruieren, Beweise zu sichern und falsche Schlussfolgerungen zu korrigieren. Gerade bei emotionalen oder unübersichtlichen Situationen kommt es leicht zu Fehleinschätzungen, die ohne juristische Unterstützung schwer zu widerlegen sind.
Unsere Kanzlei
- prüft, ob tatsächlich eine strafbare Pflichtverletzung vorliegt oder ob die Hilfeleistung nicht zumutbar oder objektiv unmöglich war,
- analysiert Polizeiberichte, medizinische Unterlagen und Zeugenaussagen auf Widersprüche,
- begleitet Sie durch das gesamte Ermittlungs- und Gerichtsverfahren,
- entwickelt eine Verteidigungsstrategie, die Ihre Situation realistisch und nachvollziehbar darstellt,
- und vertritt Ihre Rechte entschlossen gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht.
Eine erfahrene Strafverteidigung sorgt dafür, dass Schockreaktionen, Überforderung oder Irrtümer nicht vorschnell als strafbares Unterlassen gewertet werden. Sie stellt sicher, dass Ihr Verhalten im richtigen Zusammenhang beurteilt wird und das Verfahren fair, sachlich und rechtlich korrekt abläuft.
So erhalten Sie eine Verteidigung mit klarer Struktur, juristischer Präzision und persönlicher Strategie, die auf ein gerechtes und ausgewogenes Ergebnis hinwirkt.es Ergebnis hinwirkt.
Peter HarlanderHarlander & Partner Rechtsanwälte „Machen Sie keine inhaltlichen Aussagen ohne vorherige Rücksprache mit Ihrer Verteidigung. Sie haben jederzeit das Recht zu schweigen und eine Anwältin oder einen Anwalt beizuziehen. Dieses Recht gilt bereits bei der ersten polizeilichen Kontaktaufnahme. Erst nach Akteneinsicht lässt sich klären, ob und welche Einlassung sinnvoll ist.“