Entschuldigender Notstand
Entschuldigender Notstand
Der entschuldigende Notstand nach § 10 StGB ist ein Schuldausschließungsgrund. Er liegt vor, wenn jemand in einer außergewöhnlichen Zwangslage eine Straftat begeht, um einen unmittelbar drohenden, erheblichen Nachteil für sich oder andere abzuwenden. Obwohl die Tat rechtswidrig bleibt, entfällt die persönliche Schuld, weil einem besonnenen Menschen in dieser Situation kein rechtmäßiges Verhalten zugemutet werden kann. Entscheidend ist, dass die Gefahr nicht selbst verursacht wurde und der angerichtete Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als die abgewendete Gefahr.
Der entschuldigende Notstand bedeutet: Eine rechtswidrige Tat bleibt straffrei, wenn sie zur Abwehr einer unmittelbaren und schweren Gefahr begangen wurde und rechtmäßiges Verhalten unzumutbar war.
Grundsatz des Entschuldigenden Notstands
Der entschuldigende Notstand betrifft Fälle, in denen ein Mensch eine rechtswidrige Handlung begeht, um eine unmittelbar drohende Gefahr abzuwenden.
Wichtig: Die Tat bleibt rechtswidrig, aber der Täter wird nicht bestraft, weil ihm kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann.
Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands
Damit § 10 StGB greift, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:
- Unmittelbare Gefahr: Es muss eine akute, gegenwärtige und erhebliche Bedrohung vorliegen, etwa für Leben, Gesundheit, Freiheit oder bedeutendes Vermögen.
- Keine eigene Schuld: Die Gefahr darf nicht absichtlich oder leichtfertig selbst verursacht worden sein.
- Keine zumutbare Alternative: Es darf kein legales Mittel geben, die Gefahr abzuwenden.
- Verhältnismäßigkeit: Die Handlung darf nicht deutlich schwerer wiegen als die Gefahr, die man abwenden wollte.
Unterschied zu anderen Notständen
Rechtfertigender Notstand
Beim rechtfertigenden Notstand wird eine Gefahr abgewendet, indem ein weniger wichtiges Rechtsgut geopfert wird. Die Tat ist dann nicht rechtswidrig.
Entschuldigender Notstand
Beim entschuldigenden Notstand können auch gleichwertige Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden, etwa Leben gegen Leben. Die Tat bleibt rechtswidrig, der Täter ist jedoch entschuldigt und daher nicht schuldhaft.
Notwehr
Notwehr liegt nur vor, wenn ein rechtswidriger Angriff von einem Menschen ausgeht. Beim entschuldigenden Notstand geht es nicht um Angriffe, sondern um außergewöhnliche Notlagen.
Praktische Bedeutung
Der entschuldigende Notstand spielt vor allem in Extremsituationen eine Rolle.
Beispiele:
- Lebensgefahr: Zwei Personen treiben nach einem Schiffsbruch auf einem kleinen Boot, das nur einen Menschen trägt. Einer stößt den anderen ins Wasser, um selbst zu überleben. → Die Tat (Tötung) bleibt rechtswidrig, der Handelnde kann aber entschuldigt sein.
- Bedrohung durch Dritte: Jemand wird von einer anderen Person massiv bedroht und begeht eine Straftat, um sich zu retten. → Unter Umständen entschuldigt.
- Rettungshandlungen: Eine Person schlägt eine Autoscheibe ein, um ein Kind aus einem überhitzten Fahrzeug zu befreien. → Handlung bleibt tatbestandsmäßig, aber unter Umständen entschuldigt.
Grenzen
Grenzen bestehen dort, wo sich jemand bewusst in eine Gefahr begibt, etwa durch leichtsinniges Verhalten. In solchen Fällen kann man sich nicht auf den entschuldigenden Notstand berufen. Außerdem gilt § 10 StGB ausschließlich für Vorsatztaten, nicht für fahrlässiges Handeln. Schließlich kommt eine Entschuldigung auch dann nicht in Betracht, wenn für die konkrete Situation bereits eine spezielle Vorschrift im Strafgesetzbuch vorgesehen ist.
Folgen in der Praxis
In der Praxis bedeutet der entschuldigende Notstand, dass die Tat trotz allem rechtswidrig bleibt. Andere Personen dürfen sich daher mit Notwehr dagegen wehren. Der Täter selbst wird jedoch nicht bestraft, weil ihm kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann. Anders ist es, wenn jemand nur irrtümlich glaubt, in einer solchen Notlage gehandelt zu haben: War dieser Irrtum auf Fahrlässigkeit zurückzuführen und ist das Delikt auch in fahrlässiger Form strafbar, kann es dennoch zu einer Verurteilung wegen Fahrlässigkeit kommen.
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