Im aktuellen Fall erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Registrierung einer Marke.
Die Antragsgegnerin hat nachstehende österreichische Wort-Bild-Marke (AT 286535) für Waren- und Dienstleistungen der Klasse 3 registriert:
Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und stützte sich dabei auf ihre eigene Unionswortmarke „BIOREGENA“ (UM 13844451), ebenfalls für Waren- und Dienstleistungen der Klasse 3.
Dem Widerspruch wurde teilweise stattgegeben. Wie kam es dazu?
Zusammenfassung
Für die Frage nach der Verwechslungsgefahr ist insb. auf die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren und Dienstleistungen sowie die maßgebenden Verkehrskreise abzustellen. Um beurteilen zu können, ob die Waren und Dienstleistungen ähnlich sind, ist ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie Eigenart zu untersuchen. Verwechslungsgefahr ist insbesondere dann gegeben, wenn die Marken in Wortklang, Wortbild oder Wortsinn übereinstimmen.
Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist idR die Verwechslungsgefahr zu bejahen.
Im konkreten Fall liegt daher hinsichtlich der identischen Ware- bzw. Dienstleistungen der beiden Marken größtenteils Verwechslungsgefahr der beiden Marken vor. Die Widerspruchsmarke der Antragstellerin und die angegriffene Marke der Antragsgegnerin sind sowohl ihrem Wortbild als auch in ihrem Wortklang nahezu ident. Denn einerseits unterscheiden sie sich nur durch die unscheinbare Silbe RE in der Mitte, andererseits betonen die maßgeblichen Verkehrskreise – österreichische Verbraucher – beide Marken auf der Silbe GE, wodurch diese praktisch gleich ausgesprochen werden.
Beschluss des OLG Wien zu GZ 33R114/20g vom 28.12.2020
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Teilwiderspruchs gegen die Schutzzulassung der österreichischen Marke Nr. 286535 (Wortbildmarke „BIOGENA WISSEN SCHAFFT GESUNDHEIT“) über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 11.5.2020, WM 67/2016-4, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
1. Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Marken gegenüber:
2. Die Antragstellerin brachte in ihrem Teilwiderspruch vor, dass zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke sowie den angegebenen Waren und Dienstleistungen beider Marken in der Klasse 3 Verwechslungsgefahr bestehe.
3. Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Widerspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr.
4. Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung dem Teilwiderspruch teilweise statt, und zwar in Ansehung der folgenden Waren der Klasse 3:
Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel.
Im übrigen Umfang wies sie den Teilwiderspruch rechtskräftig ab. Die Widerspruchsmarke sei zwar nicht vollständig in die angegriffene Marke aufgenommen worden; das Wortelement BIOGENA bestehe aber aus drei von vier Silben der Widerspruchsmarke. Die identischen Wortanfänge und -endungen würden den Konsumenten vorrangig in Erinnerung bleiben. Der geringfügig unterschiedliche Mittelteil der Zeichen trete dabei in den Hintergrund. Im Zusammenhang mit jenen Waren, für die auch die Widerspruchsmarke registriert sei, bestehe somit Verwechslungsgefahr.
5. Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss zu ändern und den Widerspruch zur Gänze abzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt (erkennbar), dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
6. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
6.1. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (C-191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T-599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T-One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 397 ff mwN).
Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C-39/97, Cannon/Canon, Rz 17).
Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht4 111 mwN). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (C-39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht4 117 mwN bei FN 108).
6.2. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C-591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner, Markenrecht4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0078944; C-342/97, Lloyd, Rn 26).
6.3. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779). Für die Ähnlichkeitsprüfung ist damit insbesondere auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [T9]; C-251/95, Sabel/Puma).
Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp, ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0117324; RS0066753; C-120/04, Thomson life, Rn 28; C-591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21).
Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C-342/97, Lloyd, Rn 26; C-291/00, Slg 2003, I-2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C-104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson; Om 6/11, revölution; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro; Om 9/04, McCruise). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken).
6.4. Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax; zuletzt 4 Ob 199/18w, Granny‘s; RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack&Jones; RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RS0079033 [T26]).
6.5. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 30 Rz 10 f mwN). Die Verwechslungsgefahr ist somit eine Rechtsfrage und grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RW0000786).
7. In Anwendung dieser Grundsätze teilt das Rekursgericht die Ansicht der Rechtsabteilung, dass zwischen der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke hinsichtlich der Waren der Klasse 3 in dem von der Rechtsabteilung angenommenen Umfang Verwechslungsgefahr besteht.
7.1. Bereits die Rechtsabteilung hat zutreffend auf die hochgradige Ähnlichkeit von BIOREGENA (Widerspruchsmarke) und BIOGENA (Bestandteil der angegriffenen Marke) im Wortbild hingewiesen, weil die beiden Zeichen sowohl am Beginn als auch am Ende identisch sind und sich nur durch die unscheinbare Silbe RE in der Mitte der Widerspruchsmarke unterscheiden. Das Rekursgericht sieht überdies eine hochgradige Ähnlichkeit im Wortklang: Die maßgeblichen Verkehrskreise – österreichische Verbraucher – werden beide Zeichen auf der Silbe GE (oder allenfalls auf der Silbe BIO) betonen, wodurch die Zeichen praktisch gleich ausgesprochen werden. Die zusätzliche Silbe RE der Widerspruchsmarke wird bei der Aussprache beinahe verschluckt; jedenfalls hat sie klanglich keine unterscheidende Bedeutung. Da die im Rekursverfahren zu prüfenden Waren der Klasse 3 großteils identisch sind, zumindest aber einander hochgradig ähneln, führen die Übereinstimmungen in Wortbild und Wortklang auch nach der Ansicht des Rekursgerichts zur Verwechslungsgefahr der beiden Zeichen.
7.2. Die Argumente der Antragsgegnerin im Rekurs überzeugen das Rekursgericht nicht: Zwar ist als Wortlaut der angegriffenen Marke nicht allein BIOGENA, sondern BIOGENA WISSEN SCHAFFT GESUNDHEIT registriert. In der Gestaltung als Wortbildmarke dominiert aber der Bestandteil BIOGENA, der viel größer geschrieben ist als der Zusatz WISSEN SCHAFFT GESUNDHEIT und dem Betrachter, im Gegensatz zum Zusatz, sofort ins Auge sticht und im Gedächtnis bleibt. Das Rekursgericht teilt daher die Ansicht der Rechtsabteilung und der Antragstellerin, dass WISSEN SCHAFFT GESUNDHEIT in der angegriffenen Marke eine so untergeordnete Rolle spielt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise darin nicht einmal einen Markenbestandteil, sondern nur einen Werbeslogan sehen werden. Die Prüfung der Verwechslungsgefahr anhand des dominierenden Bestandteils der angegriffenen Marke (BIOGENA) ist daher nicht zu beanstanden.
Darauf, dass sich BIOREGENA einerseits und BIOGENA WISSEN SCHAFFT GESUNDHEIT andererseits in bildlicher und klanglicher Hinsicht unterscheiden würden, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Auch der Bildbestandteil der angegriffenen Marke, auf den die Antragsgegnerin verweist, kann die Verwechslungsgefahr nicht beseitigen: Zum einen ist der Bildbestandteil – eine stilisierte Person in schwarzer Farbe auf weißem Grund, die einen Ball wirft oder fängt – aufgrund der verbreiteten Nutzung stilisierter Personen in Marken, Logos und Werbesujets aller Art schon an sich nicht besonderes kennzeichnungskräftig. Zum anderen rückt auch der Bildbestandteil angesichts des dominanten Wortbestandteils BIOGENA in den Hintergrund. Die Ansicht der Antragsgegnerin, der Bildbestandteil sei „stark kennzeichnungskräftig“, ist vor diesem Hintergrund nicht zu teilen.
Auf allfällige Unterschiede im Wortsinn von BIOREGENA und BIOGENA, die die Antragsgegnerin herausarbeiten will, kommt es aufgrund der hochgradigen Ähnlichkeit in Wortbild und Wortklang nicht mehr an (vgl zum Wortklang auch 133 R 46/18i, VITAMIN WELL/VITAVELL).
Im Übrigen geht das Rekursgericht nicht davon aus, dass der Durchschnittsverbraucher einen kennzeichnungskräftigen Unterschied im Wortsinn von BIOREGENA und BIOGENA erkennen wird. Er wird bei BIOREGENA insbesondere keinen Bezug zu einer Königin herstellen (dies könnte allenfalls bei BIOREGINA der Fall sein).
7.3. Die Entscheidung der Rechtsabteilung bedarf daher zusammengefasst keiner Korrektur.
8. Aufgrund der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).
9. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880 [Ermessensspielraum]; RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
[Der Oberste Gerichtshof hat den außerordentlichen Revisionsrekurs am 27.5.2021 zurückgewiesen, 4 Ob 52/21g.]