Im aktuellen Fall erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Registrierung dreier Marken.
Der Antragsgegner hat drei österreichische Marken, nämlich eine Wortmarke „HOUSE OF JULIUS MEINL (AT 281687) und zwei Wortbildmarken „HOUSE OF JULIUS MEINL (AT 281688, AT 281459) registriert.
Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und stützte sich dabei auf nachfolgende Marken: Bildmarke „Mohrenkopf“(AT 354), Wortbildmarke mit „Julius Meinl“ (AT 32287), Wortmarke „JULIUS MEINL GOURMET“ (AT 40303), zwei Wortbildmarken mit dem Mohrenkopf und „Julius Meinl est. in Vienna 1862“ (AT 37544 und AT 37546), zwei Wortbildmarken mit dem Mohrenkopf und „Julius Meinl gegr. in Wien 1862“ (AT 37545 und AT 37760), drei Wortbildmarken mit dem Mohrenkopf und „Julius Meinl“ (AT 196489, AT 204963 und AT 239470), Wortmarke „JULIUS MEINL VIENNA COFFEE MASTER“ (AT 267825), Bildmarke mit dem Schiff (AT 28929), Wortmarke „JULIUS MEINL“ (UM 262204), Bildmarke „Julius Meinl Coffeehouse“ (UM 6978357) und Bildmarke „Julius Meinl Kaffeehaus“ (UM 6988232).
Das Widerspruchsverfahren wurde unterbrochen. Wie kam es dazu?
Zusammenfassung
Grundsätzlich bewirkt die Fassung eines Unterbrechungsbeschlusses außerhalb einer mündlichen Verhandlung weder seine Nichtigkeit noch Mangelhaftigkeit. Allerdings muss den Parteien zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden, da ansonsten deren Recht auf rechtliches Gehör verletzt wird.
Im konkreten Fall sind die Unterbrechungsbeschlüsse nichtig. Denn sie wurden gefasst, ohne der Antragstellerin davor die Möglichkeit zu einer Äußerung zu geben. Dadurch wurde ihr rechtliches Gehör verletzt, sodass die Unterbrechungsbeschlüsse nichtig sind.
Beschluss des OLG Wien zu GZ 33R48/20a vom 21.08.2020
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Stiefsohn und den fachmännischen Laienrichter Hofrat Mag. Pilz in den Markenschutzsachen der Antragstellerin E*****, vertreten durch Dr. Daniela Majer, Rechtsanwältin in Wien, wider den Antragsgegner J*****, vertreten durch die Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Löschung der Marken AT 281687, AT 281688 und AT 281459 über die Rekurse der Antragstellerin gegen die Beschlüsse der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 5.3.2020, Nm 48+49/2015-23 (33 R 48/20a) und Nm 2/2016-23 (33 R 49/20y), in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Rekursverfahren 33 R 48/20a und 33 R 49/20y werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führendes Verfahren ist 33 R 48/20a.
Den Rekursen wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Beschlüsse werden als nichtig aufgehoben. Der Nichtigkeitsabteilung wird die neuerliche Entscheidung über die Unterbrechungsanträge des Antragsgegners nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung
Der Antragsgegner ist der Inhaber der österreichischen Marken:
a.) Wortmarke „HOUSE OF JULIUS MEINL“, AT 281687;
b.) Wortbildmarke „HOUSE OF JULIUS MEINL“, AT 281688;
c.) Wortbildmarke „HOUSE OF JULIUS MEINL“, AT 281459.
Die Antragstellerin beantragte die Löschung der Marken des Antragstellers wegen Verwechslungsgefahr (§ 30 Abs 1 und Abs 2 MSchG) – AT 281687 und AT 281688 zu Nm 48+49/2015 und AT 281459 zu Nm 2/2016 – und berief sich dazu auf diese österreichischen Marken und Unionsmarken:
a.) Bildmarke „Mohrenkopf“, AT 354;
b.) Wortbildmarke mit „Julius Meinl“, AT 32287;
c.) Wortmarke „JULIUS MEINL GOURMET“, AT 40303;
d.) zwei Wortbildmarken mit dem Mohrenkopf und „Julius Meinl est. in Vienna 1862“, AT 37544 und AT 37546;
e.) zwei Wortbildmarken mit dem Mohrenkopf und „Julius Meinl gegr. in Wien 1862“, AT 37545 und AT 37760;
f.) drei Wortbildmarken mit dem Mohrenkopf und „Julius Meinl“, AT 196489, AT 204963 und AT 239470;
g.) Wortmarke „JULIUS MEINL VIENNA COFFEE MASTER“, AT 267825;
h.) Bildmarke mit dem Schiff, AT 28929 (nur im Verfahren Nm 2/2016);
i.) Wortmarke „JULIUS MEINL“, UM 262204;
j.) Bildmarke „Julius Meinl Coffeehouse“, UM 6978357;
k.) Bildmarke „Julius Meinl Kaffeehaus“, UM 6988232.
Der Antragsgegner beantragte die Abweisung sämtlicher Löschungsanträge und die Unterbrechung der Verfahren. Die Marke AT 37544 sei gelöscht worden. Die Marke AT 28929 (nur im Verfahren Nm 2/2016) werde nicht von der Antragstellerin gehalten, sondern von der Meinl Bank Aktiengesellschaft. Die übrigen Antragsmarken seien vom Verfall oder von der Löschung bedroht: Der Antragsgegner habe am 13.3.2019 zu 33863C, 33865C und 34506C des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Erklärung des Verfalls der Unionsmarken wegen Nichtbenutzung (Art 58 Abs 1 lit a UMV) beantragt und am 2.4.2019 zu Nm 20-29/2019 des Patentamts die Löschung der österreichischen Marken wegen Nichtbenutzung (§ 33a Abs 1 MSchG).
Daraufhin erließ die Nichtigkeitsabteilung (NA) die angefochtenen Beschlüsse, mit denen sie die Verfahren Nm 48+49/2015 und Nm 2/2016 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verfalls- und Löschungsanträge unterbrach. Begründend verwies sie auf deren Präjudizialität für die vorliegenden Verfahren und auf § 35 Abs 5 MSchG iVm § 119 Abs 1 PatG iVm § 190 ZPO.
Gegen diese Beschlüsse richten sich die Rekurse der Antragstellerin wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, die Beschlüsse aufzuheben und der NA die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung oder die Fortführung des Verfahrens aufzutragen.
Der Antragsgegner beantragt, den Rekursen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind zulässig (vgl § 41 Abs 2 erster Fall MSchG) und berechtigt.
1. Gemäß § 187 ZPO, der auch in Markenschutzsachen anzuwenden ist (§ 35 Abs 5 MSchG iVm § 119 Abs 1 PatG, für das Rekursverfahren gegen Beschlüsse der NA § 41 Abs 3 MSchG iVm § 142 Abs 3 PatG), kann der Senat Verfahren verbinden, die zwischen den nämlichen Personen geführt werden, wenn dadurch zum Beispiel die Kosten und der Aufwand vermindert werden. Die Anwendung dieser Bestimmung ist nicht auf das Verfahren erster Instanz beschränkt (Höllwerth in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 187 ZPO Rz 10 mwN). Das Rekursgericht erachtet die Voraussetzungen des § 187 ZPO als gegeben, weil – neben der evidenten Parteienidentität – im Wesentlichen inhaltsgleiche und im gleichen Verfahren ergangene Unterbrechungsbeschlüsse sowie Rekurse und Rekursbeantwortungen zu beurteilen sind.
2. Die Antragstellerin beruft sich darauf, die Unterbrechungsanträge nicht zugestellt erhalten zu haben, keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesen gehabt zu haben und dadurch in ihrem rechtlichen Gehör verletzt worden zu sein (Rekursseite 8). Inhaltlich macht sie damit den Nichtigkeitsgrund nach § 514 Abs 2 iVm § 477 Abs 1 Z 4 ZPO geltend, der auch im Rekursverfahren gegen Beschlüsse der NA in Markenschutzsachen anzuwenden ist (§ 41 Abs 3 MSchG iVm § 142 Abs 3 PatG).
3. Das Rekursgericht hat dazu erwogen:
3.1. Teile der Rechtsprechung und Lehre vertreten die Ansicht, dass ein Unterbrechungsbeschluss schon dann nichtig iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO sein soll, wenn er außerhalb der mündlichen Verhandlung gefasst wurde (RS0109333; Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 190 Rz 1 mwN; Klauser/Kodek, JN-ZPO18 § 190 ZPO E 22).
3.2. In der Rechtsprechung der zweitinstanzlichen Gerichte hat sich dagegen die auch vom Rekursgericht geteilte Rechtsansicht durchgesetzt, dass allein die Fassung des Unterbrechungsbeschlusses außerhalb einer mündlichen Verhandlung weder seine Nichtigkeit noch seine Mangelhaftigkeit bewirkt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt aber dann vor, wenn die Unterbrechung ohne Anhörung der Parteien erfolgte (OLG Wien 14 R 207/98h = RW0000281; 1 R 202/16g; 129 R 18/19v; 13 R 138/19p; 4 R 35/19z; 15 R 6/20t; OLG Graz 7 Ra 267/96f = RG0000004; OLG Linz 2 R 202/02t = EFSlg 105.789; LG Wiener Neustadt 17 R 485/04a = RWN0000011).
3.3. Diese Ansicht hat auch in der Literatur Zustimmung gefunden. Ein außerhalb der mündlichen Verhandlung gefasster Unterbrechungsbeschluss ist wirksam und allein aus diesem Grund nicht zu beanstanden, sofern den Parteien zuvor die Möglichkeit der Stellungnahme eröffnet wurde. Die Anhörung der Parteien zu einer Unterbrechungsabsicht des Gerichts gehört zur Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens. Dabei können die Qualität des betreffenden Rechtsverhältnisses als Vorfrage, die Präjudizialität des anderen Verfahrens und die Zweckmäßigkeit einer Unterbrechung des Rechtsstreits zweifelhaft sein. Zu all diesen Fragen ist den Parteien zumindest die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme zu eröffnen. Wenn den Parteien zuvor rechtliches Gehör eingeräumt wurde, kann ein Unterbrechungsbeschluss zur Verringerung des Verfahrensaufwands auch außerhalb der mündlichen Verhandlung gefasst werden (Höllwerth, aaO § 190 ZPO Rz 86 ff).
3.4. Die NA hat die Unterbrechungsbeschlüsse erkennbar auf Antrag des Antragsgegners gefasst, ohne der Antragstellerin davor die Möglichkeit zu einer Äußerung zu geben. Sie konnte sich daher nicht zur Unterbrechung äußern. Dadurch wurde ihr rechtliches Gehör verletzt, sodass die Unterbrechungsbeschlüsse nichtig iSd § 514 Abs 2 iVm § 477 Abs 1 Z 4 ZPO sind (vgl OLG Wien 2 R 144/15h; 133 R 26/18y; 129 R 18/19v uva).
3.5. Der vom Antragsgegner betonte Umstand der Direktzustellung (§ 112 ZPO) der Schriftsätze, in denen er die Unterbrechung beantragt hat, an die Antragstellerin vermag die Nichtigkeit nicht zu beseitigen: Die Antragstellerin war ohne entsprechende Aufforderung durch die NA nicht gehalten, von sich aus eine Äußerung zu den Unterbrechungsanträgen einzubringen. Sie konnte vielmehr davon ausgehen, dass die NA, wenn sie aufgrund der Anträge eine Unterbrechung in Erwägung ziehen sollte, gesetzmäßig vorgehen und ihr die Gelegenheit zur Äußerung geben werde.
3.6. Da Nichtigkeitsgründe ohne Rücksicht darauf wahrgenommen werden müssen, ob sie sich im Einzelfall ausgewirkt haben, ob also die von ihnen betroffene Entscheidung sachlich richtig ist oder nicht (Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 477 Rz 2; Pimmer in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 477 ZPO Rz 1), ist es unerheblich, ob sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin Umstände ergeben, aufgrund derer die Unterbrechungsanträge abgewiesen werden hätten müssen oder nicht.
3.7. Die Unterbrechungsbeschlüsse sind daher aufzuheben. In den fortgesetzten Verfahren wird die NA der Antragstellerin Gelegenheit zur Äußerung zu den Unterbrechungsanträgen des Antragsgegners zu geben und danach neuerlich über diese zu entscheiden zu haben. Mit ihrem weiteren Rekursvorbringen ist die Antragstellerin auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.
4. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 1 ZPO.
5. Da die Aufhebung einer in erster Instanz nach § 190 Abs 1 ZPO verfügten Unterbrechung durch das Rekursgericht nicht angefochten werden kann (vgl § 192 Abs 2 ZPO; Höllwerth, aaO § 192 Rz 21; Stadler/Gehring, Verfahren vor dem Patentamt, Rz 1746), war auszusprechen, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist.