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Auch schwache Zeichen werden jedenfalls dann verletzt, wenn die Marke zur Gänze übernommen wurde und innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck prägen, in den Hintergrund tritt.

Im aktuellen Fall erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Registrierung einer Marke.

Die Antragsgegnerin hat beim Patentamt für die Klasse 35 für Büroarbeiten, für die Klasse 36 für das Immobilienwesen, für die Klasse 37 für das Bauwesen sowie für die Klasse 43 für die Beherbergung von Gästen eine Wort-Bild-Marke (AT 293.410) zur Registrierung angemeldet:

Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und stützte sich auf nachstehende ältere Marken, welche für die Klasse 36 für „Procurement of capital investments, real estate investments, saving agreements of building societies, contracts of insurance; investment consulting“ (IR 765358, IR 777429) eingetragen sind:

Dem Widerspruch wurde teilweise stattgegeben. Wie kam es dazu?

Zusammenfassung

Ähnlichkeit ist idR anzunehmen, wenn eine registrierte Marke vollständig in einer anderen Marke aufgenommen wird. Bei der Frage, ob zwischen zwei Bildmarken Verwechslungsgefahr besteht, sind insb. die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke sowie die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und der erfassten Waren maßgebend. Bei hochgradiger Warenähnlichkeit ist die Verwechslungsgefahr nach der Zeichenähnlichkeit zu prüfen.

Der Bildbestandteil der Marke wird durch den Wortbestandteil „OVB“ nicht vollständig in den Hintergrund gedrängt. Vergleicht man den Gesamteindruck der Wortbildmarke mit der Bildmarke, ist erkennbar, dass dieser nicht gänzlich verschieden ist. Denn aus Sicht der Betrachter kann angenommen werden, dass die Ziffern-Buchstabenkombination sowie das kleinere Wort „IMMOGROUP“ eine zusätzliche Spezifikation einer Ware/Dienstleistung seien, die von jenem Unternehmen stammen, das schon durch das abgebildete Säulendiagramm identifiziert werden könne.

Im konkreten Fall liegt daher nur teilweise Verwechslungsgefahr vor, und zwar hinsichtlich der Dienstleistungen „Immobilienwesen“ (Klasse 36) und „Bauwesen“ (Klasse 37). Hinsichtlich der anderen Dienstleistungen liegt keine Verwechslungsgefahr vor.

Beschluss des OGH zu GZ 4Ob32/21s vom 27.05.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Markenrechtssache der Antragstellerin O***** AG, *****, vertreten durch Puchberger & Partner Patentanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin 3***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in Wien, wegen Widerspruchs gegen die Marke AT 293.410, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 17. November 2020, GZ 33 R 68/20t-3, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

 

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

[1] Die Antragsgegnerin meldete beim Patentamt am 6. 4. 2017 folgende Wortbildmarke zur Registrierung an:

[2] Sie wurde zu Registernummer AT 293.410 am 20. 8. 2017 für folgende Dienstleistungen veröffentlicht:

Kl. 35: Büroarbeiten

Kl. 36: Immobilienwesen

Kl. 37: Bauwesen

Kl. 43: Beherbergung von Gästen

[3] Die Antragstellerin erhob Widerspruch mit dem Begehren gemäß § 29a Abs 1 iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG, die Registrierung der angegriffenen Marke rückwirkend auf den Tag des Schutzdauerbeginns aufzuheben. Dabei stützte sie sich auf folgende ältere Marken (Widerspruchsmarken):

IR 765358                               IR 777429

[4] Diese sind für folgende Dienstleistungen eingetragen:

36 Procurement of capital investments, real estate investments, saving agreements of building societies, contracts of insurance; investment consulting.

[5]  Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit den Widerspruchsmarken geeignet, weil unter anderem die grafische Gestaltung des stilisierten Histogramms vollständig übernommen werde. Die einander gegenüberstehenden Marken seien verwechselbar ähnlich, weil die Waren und Dienstleistungen teils gleichartig, teils ident seien und die Antragstellerin den besseren Zeitrang habe.

[6] Die Antragsgegnerin bestritt die Verwechslungsgefahr, weil der Bildbestandteil der Widerspruchsmarken über keine Unterscheidungskraft verfüge und das angegriffene Zeichen durch seine Wortbestandteile geprägt werde. Die Wörter „3SI IMMOGROUP“ würden sich eindeutig von „OVB“ in Wortklang und Wortsinn unterscheiden. Die erste Widerspruchsmarke werde nicht verwendet.

[7] Die Rechtsabteilung des Patentamts wies den Widerspruch ab. Die erste Widerspruchsmarke werde nicht kennzeichenmäßig benutzt, weil sie nur in Verbindung mit dem Wort „OVB“ benutzt werde und die Benutzung der zweiten Widerspruchsmarke nicht mit der Benutzung des Bildzeichens gleichzusetzen sei. Eine Verwechslungsgefahr des angegriffenen Zeichens mit der zweiten Widerspruchsmarke sei nicht gegeben.

[8] Das Rekursgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass es dem Widerspruch teilweise stattgab, und zwar in Bezug auf die Dienstleistungen „Immobilienwesen (Klasse 36)“ und „Bauwesen (Klasse 37)“; die Registrierung der Marke AT 293.410 für diese Dienstleistungen werde aufgehoben. Im Übrigen bestätigte es die Entscheidung des Patentamts. Den Wert des Entscheidungsgegenstands bemaß das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend und den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig. Es erachtete die Voraussetzungen für gegeben, unter denen die Benutzung der zweiten Widerspruchsmarke auch die Benutzung der ersten Widerspruchsmarke umfasse, weil die erste Widerspruchsmarke in der zweiten Widerspruchsmarke vollständig und unverändert abgebildet werde, weil sie nicht in den Hintergrund trete und weil sie auch nicht in einer unüblichen Form verwendet werde. Zwischen der ersten Widerspruchsmarke (Bildmarke) und der angegriffenen Marke bestehe Verwechslungsgefahr, weil das Bildelement in letzterer nicht in ausreichender Weise in den Hintergrund trete, sondern weil aus Sicht der Betrachter mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werde, die Ziffern-Buchstabenkombination sowie das kleinere Wort „IMMOGROUP“ seien eine zusätzliche Spezifikation einer Ware oder einer Dienstleistung, die von jenem Unternehmen stamme, das schon durch das abgebildete Säulendiagramm identifiziert werden könne. Im Übrigen seien Zeichen, die
– wie die Widerspruchsmarken – nicht färbig eingetragen seien, in der Regel mit ähnlichen Zeichen in allen Farben verwechselbar.

[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den Widerspruch der Antragstellerin abzuweisen. Durch die Hinzufügung des Wortbestandteils „OVB“ trete die Bildmarke vollständig in den Hintergrund. Die Benützung der zweiten Widerspruchsmarke umfasse daher nicht auch die Benützung der ersten Widerspruchsmarke. Die Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und der ersten Widerspruchsmarke sei zu verneinen, weil bei schwachen Zeichen (wie hier) schon geringe Abweichungen genügten, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Im Übrigen sei bei zusammengesetzten Zeichen der Wortbestandteil maßgebend.

Rechtliche Beurteilung

[10]  Der Revisionsrekurs ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

[11] 1.1. Die Revisionsrekurswerberin wendet sich mit der Begründung, dass durch die Hinzufügung des Wortbestandteils „OVB“ die Bildmarke vollständig in den Hintergrund trete, gegen die Beurteilung des Rekursgerichts, wonach die Benützung der zweiten Widerspruchsmarke auch die Benützung der ersten Widerspruchsmarke umfasse. Nach Ansicht der Revisionsrekurswerberin sei der Sachverhalt der vom Rekursgericht herangezogenen Entscheidung des EuGH in C-252/12Specsavers, nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar, weil hier der äußere Gesamteindruck der ergänzten Bildmarke in Ausdehnung und Proportionen gänzlich verschieden sei und durch die Schriftzeichen beherrscht werde.

[12] 1.2. Das Rekursgericht hat die Rechtsprechung zu den Grundsätzen des Nachweises der Benutzung richtig wiedergegeben und zusammengefasst, weshalb darauf verwiesen werden kann.

[13] 1.3. Im konkreten Fall ging das Rekursgericht vertretbar davon aus, dass die Hinzufügung des Wortbestandteils „OVB“ den Bildbestandteil der Marke keineswegs vollständig in den Hintergrund drängt und der Gesamteindruck der Wortbildmarke im Vergleich zur Bildmarke daher nicht gänzlich verschieden ist. Dieser Schlussfolgerung liegt zugrunde, dass aus der Sicht der Betrachter mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werde, die Ziffern-Buchstabenkombination sowie das kleinere Wort „IMMOGROUP“ seien eine zusätzliche Spezifikation einer Ware oder einer Dienstleistung, die von jenem Unternehmen stamme, das schon durch das abgebildete Säulendiagramm identifiziert werden könne.

[14]  2.1. Die Antragsgegnerin hat die erste Widerspruchsmarke der Antragstellerin in ihre Marke übernommen. Wird eine registrierte Marke vollständig in eine andere Marke aufgenommen, ist regelmäßig, und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind, Ähnlichkeit anzunehmen (RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des aufnehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des aufnehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (RS0079033 [T20]; 4 Ob 99/20t).

[15] 2.2. Ob nun zwischen zwei Bildmarken Verwechslungsgefahr besteht, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren (RS0121500; RS0121482), wobei stets der Gesamteindruck der Marke maßgeblich und die dominierenden Zeichenbestandteile besonders zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet (RS0117324; RS0066753).

[16] 2.3. Ob ausgehend von diesen Grundsätzen nach den konkreten Umständen der Wechselbeziehung zwischen Markenähnlichkeit und Branchennähe Verwechslungsgefahr besteht, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage (RS0111880; RS0114771 [T5], RS0112739) – abgesehen vom Fall grober Fehlbeurteilung (RS0111880 [T1]). Ob nämlich zwischen zwei Marken Verwechslungsgefahr besteht, ist bei hier gegebener hochgradiger Warenähnlichkeit nach der Zeichenähnlichkeit zu prüfen (RS0116294). Dafür sind die verwendeten Zeichen in Bild, Klang und Bedeutung einer gesamthaften Würdigung zu unterziehen (RS0117324; RS0066753). Deren Ergebnis hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

[17] 2.4. Eine grobe Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

[18] Die Revisionsrekurswerberin verweist auf die Entscheidung 4 Ob 169/01h, mit der der Senat ausgesprochen hat, dass die geringen Abweichungen zwischen „Best Energy“ und „Best Electric“ (Unterschiede in Wortbild und Wortklang) ausreichten, die Verwechslungsgefahr zu verneinen. Im vorliegenden Fall sind aber die Unterschiede in der Breite und Höhe der Säulen sowie in der Krümmung und Steigung der Kurve von untergeordneter Bedeutung. Der Gesamteindruck der Säulen bleibt gleich, sodass die Entscheidung des Rekursgerichts im Ergebnis nicht den in 4 Ob 169/01h herangezogenen Grundsätzen widerspricht. Dasselbe gilt für die Entscheidung 4 Ob 42/95. Dort war zwar das Kennzeichen der Klägerin in der Bezeichnung „Miss Fitness Austria“ zur Gänze enthalten; es wurde aber dennoch nicht unverändert übernommen, weil die beiden Wörter „Miss“ und „Austria“ durch das Wort „Fitness“ voneinander getrennt wurden. Dieser Fall ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt daher nicht vergleichbar. Soweit sich die Revisionsrekurswerberin auf die Entscheidung 4 Ob 305/98a stützt, übersieht sie, dass der Gesamteindruck der hier angegriffenen Marke gerade nicht vorrangig durch den Wortbestandteil beherrscht wird. Vielmehr sind die Bild- und die Wortelemente in der angegriffenen Marke durchaus als gleichwertig anzusehen; die Bildelemente treten jedenfalls nicht gänzlich in den Hintergrund. Außerdem gilt auch hier, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität oder hochgradiger Produktähnlichkeit ein größerer Abstand der Zeichen erforderlich ist, um Verwechslungsgefahr auszuschließen. Ähnliches gilt für die Entscheidung 17 Ob 10/11mJungle Man. Dort waren die Wortbestandteile der zu beurteilenden Marken prägnanter und daher dominierender als im vorliegenden Fall.

[19] Zusammenfassend zeigt der Revisionsrekurs keine grobe Fehlbeurteilung des Rekursgerichts auf. Das folglich unzulässige Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.

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Zuletzt aktualisiert: 29.10.2024
Autor: Mag. Peter Harlander
Beruf: Rechtsanwalt, Senior Equity-Partner
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Rechtsanwalt Peter Harlander ist Senior Partner der Harlander & Partner Rechtsanwälte GmbH sowie Mitgründer mehrerer Gesellschaften im legal tech Bereich. Seine Schwerpunkte liegen im Wirtschaftsrecht, Vertragsrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Designrecht, IT-Recht, E-Commerce-Recht und Datenschutzrecht.

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