Im aktuellen Fall erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Registrierung einer Marke.
Die Antragsgegnerin hat nachstehende österreichische Wort-Bild-Marke (AT 291345) unter anderem für Dienstleistungen der Klasse 43 (Verpflegung von Gästen) registriert:
Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und stützte sich dabei auf ihre eigene Unions-Wort-Bild-Marke (UM 14696959), unter anderem ebenfalls für Dienstleistungen der Klasse 43 (Verpflegung von Gästen):
Dem Widerspruch wurde stattgegeben. Wie kam es dazu?
Zusammenfassung
Für die Frage nach der Verwechslungsgefahr ist insb. auf die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren und Dienstleistungen sowie die maßgebenden Verkehrskreise abzustellen. Um beurteilen zu können, ob die Waren und Dienstleistungen ähnlich sind, ist ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie Eigenart zu untersuchen. Verwechslungsgefahr ist insbesondere dann gegeben, wenn die Marken in Wortklang, Wortbild oder Wortsinn übereinstimmen.
Bei eingetragenen Marken wird die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen anhand eines Vergleichs der Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse laut Registrierung beurteilt.
Im konkreten Fall liegt daher hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 43 Verwechslungsgefahr der beiden Marken vor. Der Name „EGON“ ist der charakteristische Bestandteil beider Marken. Zwar sind die jeweiligen Zusätze „Restaurant“ der Widerspruchsmarke und „to go“ der angegriffenen Marke unterschiedlich. Dennoch deuten sie auf eine Zusammengehörigkeit der beiden Marken hin. Für die maßgeblichen Verkehrskreise entsteht nämlich der Eindruck, die Dienstleistungen würden vom selben Unternehmen stammen und einerseits bei der Widerspruchsmarke ortsgebunden („Restaurant“) und andererseits bei der angegriffenen Marke zum Mitnehmen („to go“) angeboten werden. Die bildliche Gestaltung der beiden Marken ist ebenfalls nahezu ident, nämlich schwarze fett gedruckte Großbuchstaben. Auch entsteht bei beiden Marken der Eindruck, „EGON“ sei eingerahmt.
Beschluss des OLG Wien zu GZ 33R94/20s vom 06.11.2020
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Teilwiderspruchs gegen die Schutzzulassung der österreichischen Marke Nr. 291345 (Wortbildmarke „EGON TO GO“) über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 5.5.2020, WM 56/2017-7, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
1. Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Wortbildmarken gegenüber:
2. Die Antragstellerin brachte in ihrem Teilwiderspruch vor, dass zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke sowie den angegebenen Dienstleistungen beider Marken in der Klasse 43 Verwechslungsgefahr bestehe.
3. Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Teilwiderspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr.
4. Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung dem Teilwiderspruch Folge und hob die Registrierung der angegriffenen Marke hinsichtlich der Klasse 43 auf. Die Dienstleistungen in dieser Klasse seien einander hochgradig ähnlich oder gar identisch. Das Wort „EGON“ sei der einzige unterscheidungskräftige Bestandteil der Widerspruchsmarke und werde zur Gänze in die angegriffene Marke übernommen, wo es ebenfalls das dominierende Element sei, sodass Verwechslungsgefahr bestehe.
5. Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss zu ändern, den Teilwiderspruch abzuweisen und die Registrierung in der Klasse 43 wiederherzustellen.
Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
6. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
6.1. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (C-191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T-599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T-One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 397 ff mwN).
Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C-39/97, Cannon/Canon, Rz 17).
Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht4 111 mwN). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (C-39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht4 117 mwN bei FN 108).
6.2. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C-591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner, Markenrecht4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0078944; C-342/97, Lloyd, Rn 26).
6.3. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779). Für die Ähnlichkeitsprüfung ist damit insbesondere auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [T9]; C-251/95, Sabel/Puma).
Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp, ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0117324; RS0066753; C-120/04, Thomson life, Rn 28; C-591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21).
Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C-342/97, Lloyd, Rn 26; C-291/00, Slg 2003, I-2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C-104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson; Om 6/11, revölution; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro; Om 9/04, McCruise). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken).
6.4. Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv; 17 Ob /08h, Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax; zuletzt 4 Ob 199/18w, Granny‘s; RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack&Jones; RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RS0079033 [T26]).
6.5. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 30 Rz 10 f mwN). Die Verwechslungsgefahr ist somit eine Rechtsfrage und grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RW0000786).
7. In Anwendung dieser Grundsätze teilt das Rekursgericht die Ansicht der Rechtsabteilung, dass zwischen der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 43 Verwechslungsgefahr besteht:
7.1. Der charakteristische Bestandteil beider Marken ist der Name „EGON“, der jeweils am Anfang steht, betont ist und so die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers auf sich zieht und dem Unterscheidungskraft beizumessen ist.
Die unterschiedlichen Zusätze der Marken – „Restaurant“ bei der Widerspruchsmarke, „to go“ bei der angegriffenen Marke – schwächen die Verwechslungsgefahr nicht ab, sondern verstärken sie sogar noch, weil sie erst recht auf eine Zusammengehörigkeit der Marken hindeuten: Für den Durchschnittsverbraucher entsteht der Eindruck, die Dienstleistungen in der Klasse 43 würden vom selben Unternehmer stammen und in der Variante der Widerspruchsmarke ortsgebunden („Restaurant“), in der Variante der angegriffenen Marke dagegen zum Mitnehmen („to go“) angeboten werden. Auch in den grafischen Elementen der Marken dominieren die Gemeinsamkeiten: Beide bestehen aus schwarzen, fett gedruckten Großbuchstaben, und bei beiden entsteht der Eindruck, „EGON“ sei eingerahmt: bei der Widerspruchsmarke durch den leicht geschwungenen schwarzen Balken darüber und das kleiner geschriebene „Restaurant“ darunter, bei der angegriffenen Marke durch gerade schwarze Balken darüber und darunter. Die Unterschiede in der grafischen Gestaltung, etwa die unterschiedlichen Schriftarten oder das gelb unterlegte Konterfei Egon Schieles bei der angegriffenen Marke, rücken demgegenüber völlig in den Hintergrund, vor allem auch mit Blick auf die hochgradige Ähnlichkeit oder gar Identität der Dienstleistungen in der Klasse 43.
7.2. Die Argumente des Antragsgegners überzeugen das Rekursgericht nicht: Das Verbraucherverhalten mag sich zwar in Zeiten des ständig verfügbaren mobilen Internets massiv verändert haben. Das bedeutet aber noch nicht, dass der Durchschnittsverbraucher heute tatsächlich „viel aufmerksamer und besser informiert als vor 20 Jahren“ wäre – jedenfalls nicht in einem Ausmaß, das ein Abgehen von der ständige Rechtsprechung zur Verwechslungsgefahr (vgl oben 6.) geboten erscheinen ließe. Die Ansicht des Antragsgegners, die Verbraucher seien mit den Unternehmen über Facebook, Instagram oder andere Plattformen verbunden, würden deren Produkte gut kennen und sich regelmäßig über die neuen Entwicklungen und Produkte der Unternehmen informieren, mag für einzelne Verbraucher zutreffen; für den hier maßgeblichen Durchschnittsverbraucher erscheint sie dem Rekursgericht aber überzogen. Die vom Antragsgegner betonten Unterschiede zwischen den zu beurteilenden Marken bestehen tatsächlich; sie sind aber angesichts der dargelegten Gemeinsamkeiten – die sich entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht auf das Wort „EGON“ beschränken, sondern im Gesamteindruck begründet sind – und der zumindest hochgradigen Ähnlichkeit der Dienstleistungen in der Klasse 43 nicht stark genug, um die Verwechslungsgefahr beseitigen zu können.
7.3. Die Entscheidung der Rechtsabteilung bedarf somit keiner Korrektur.
8. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).
9. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880 [Ermessensspielraum]; RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.