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In Art 6 Abs 1 EMRK sind insbesondere das Erforderis der Waffengleichheit und die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs geregelt. Den Parteien muss hiernach ausreichend Gelegenheit gegeben werden, sich zu allen Tatsachen und Beweisen zu äußern, um ein faires Verfahren zu garantieren.

In diesem aktuellen Fall begehrt die Klägerin die Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs durch einstweilige Verfügung.

Die Klägerin vertreibt insbesondere über einen Online-Shop und Amazon Produkte aus Zirbenholz. Auch die Erstbeklagte verkauft zeitweise Zirbenholzprodukte in ihren Filialen sowie online.

Die Zweit- bis Sechsbeklagten sind Komplementäre der Erstbeklagten. Produktion und Zulieferung der Zirbenholzprodukte der Erstbeklagten erfolgen durch eine Produzentengruppe rund um die Nebenintervenienten. Infolge mehrerer Rechtsstreitigkeiten in der Vergangenheit schlossen die Parteien Anfang 2021 einen Vergleich, der die Parteien dazu verpflichtet, sich im Falle möglicher Rechtsverstöße vor der Einbringung von Klagen oder Exekutionen gegenseitig vorzuwarnen.

Mit Ihrer Klage und Sicherungsantrag vom November 2021 begehrt die Klägerin:

1. Unterlassung der Werbung mit folgendem Logo,

ohne dass die Beklagte darüber ein entsprechendes Lizenzrecht verfügt.

2. Unterlassung der Werbung mit der Bezeichnung als „Original“, ohne dass die Beklagte Erfinderin oder Urheberin der beworbenen Produkte ist und ohne, dass die Produkte einen Design- oder Musterschutz genießen

3. Unterlassung der werbenden Behauptung durch die Beklagte, Zirbenholz habe positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und wirke antibakteriell, schädlingshemmend und desinfizierend, obwohl dies nicht ausreichend wissenschaftlich belegt ist.

Die Beklagten verneinen ihrerseits einen lauterkeitsrechtlichen Verstoß.

Das Erstgericht nahm Irreführung im Sinne des § 2 UWG an und erließ die beantragte einstweilige Verfügung gegen die Erstbeklagte. Den Sicherungsantrag gegen die übrigen Beklagten wies es ab.

Das Rekursgericht gab nur dem Rekurs der Erstbeklagten und der Nebenintervenientin Folge und wies den Sicherungsantrag der Klägerin insgesamt ab. Es bemaß den Wert des Streitgegenstandes mit mehr als 30.000 Euro und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Außerdem nahm es eine Ergänzung des Sachverhaltes dahingehend vor, dass die Erstbeklagte von einem mit ihr in Verbindung stehenden Unternehmen darauf hingewiesen worden sei, dass sie bei ihrer Werbung alte Fotos verwende. Die Erstbeklagte habe daraufhin vor Beanstandung der Klägerin die streitigen Werbematerialien mit der Bezeichnung „Original“ und der Marke „Tirol“ gelöscht und beseitigt, damit aktiv eine Sinnesänderung klar zum Ausdruck gebracht, sodass die erforderliche Wiederholungsgefahr fehle. Das Vorbringen der Klägerin gegen die Werbung mit den wissenschaftlich nicht ausreichend belegten gesundheitlichen Wirkungen verwarf das Rekursgericht mit dem Hinweis auf das Fehlen einer entsprechenden Bescheinigung.

Die Klägerin beantragt mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, die ursprünglich begehrte einstweilige Verfügung gegen alle sechs Beklagten zu erlassen, hilfsweise Widerherstellung der erstgerichtlichen Sicherungsverfügung, hilfsweise Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückweisung zwecks Verfahrensergänzung. Sie gibt an, das Verfahren sei nichtig und macht wiederum hilfsweise seine Mangelhaftigkeit wegen einer Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör geltend. Darüber hinaus führt sie an, die Wiederholungsgefahr sei nicht ausreichend beseitigt worden.

Dem außerordentlichem Revisionsrekurs wurde teilweise Folge gegeben. Der Beklagten wurde die Werbung mit dem Tirol-Logo untersagt, soweit sie oder deren Lieferant/Lieferantin nicht ein entsprechendes Lizenzrecht besitzt. Ferner hat die Beklagte die Werbung mit dem Begriff „Original“ zu unterlassen, soweit die Beklagte nicht Erfinder oder Urheber dieses Produkt ist oder die Produkte über einen bestehenden Design- oder Musterschutz verfügen. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin bezüglich der Werbung mit den positiven gesundheitlichen Wirkungen von Zirbenholz wurde abgewiesen.

Wie kam es dazu?

Zusammenfassung

Schwerpunkt der Entscheidung war die Auseinandersetzung mit den Grundsätzen des Art. 6 Abs 1 EMRK und die Beurteilung einer möglichen lauterkeitsrechtlich relevanten Wiederholungsgefahr.

Zu der Frage, ob die Werbung mit den positiven gesundheitlichen Auswirkungen von Zirbenholz irreführend war, nimmt der OGH aufgrund des durch das Rekursgericht als bescheinigt angenommenen, ergänzenden Sachverhalts nicht mehr Stellung.

In Art 6 Abs 1 EMRK sind insbesondere das Erfordernis der Waffengleichheit und die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs geregelt. Den Parteien muss ausreichend Gelegenheit gegeben werden, sich zu allen vorgebrachten Tatsachen und Beweisen Stellung zu äußern. Ob diesen Anforderungen entsprochen wurde, ist objektiv zu beurteilen. Maßgeblich ist hierbei das gesamte Verfahren.

Zunächst stellt der OGH mit Verweis auf die Entscheidung Micallef/Malta des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest, dass die Grundsätze des Art 6 Abs 1 EMRK auf das Provisorialverfahren anwendbar sind, wenn dieses zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zum Gegenstand hat und die Sicherheitsmaßnahme geeignet ist, diese zu bestimmen.

Zwar könne in dringenden Ausnahmefällen auf die Stellungnahme des Gegners verzichtet werden und eine einseitige Erlassung einer einstweiligen Verfügung erfolgen, wenn aber die Zweiseitigkeit des Verfahrens durch das Gericht damit impliziert wurde, dass es dem Gegner die Möglichkeit zur Äußerung gegeben hat, seien die Grundsätze des Art. 6 Abs 1 auf das Provisorialverfahren anwendbar und zu beachten.  

Dem Vorwurf der Nichtigkeit des Urteils durch die Klägerin begegnet der der OGH mit dem Hinweis, dass bei Unterbleiben der Anhörung des Gegners in einem Provisorialverfahren, obwohl kein dringender Ausnahmefall vorliegt, hieraus nicht die Nichtigkeit des Urteils folgt, sondern vielmehr lediglich ein Verfahrensfehler vorliegt.

Zu der Frage, wann die Grundsätze des Art 6 Abs 1 EMRK ausreichend Berücksichtigung finden, hält der OGH mit erneuter Bezugnahme auf die Entscheidung Micallef/Malta fest, dass, wenn keine mündliche Verhandlung, sondern eine schriftliche Stellungnahme durch den Gegner erfolgt ist, diese dem Antragsteller zuzustellen ist und, insbesondere wegen Fehlens eines Widerspruchs und wegen des im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbot, Gehör zu gewähren ist.

Der OGH stellt fest, dass dem Antragsgegner unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit zwar die Stellungnahme zu Eingaben und Beweisen ermöglicht werden müsse, der Zweck der einstweiligen Verfügung aber nicht durch das Recht auf eine Replik der gefährdeten Partei „duplizieren“ zu können beeinträchtigt werden dürfe. Sein Recht auf rechtliches Gehör sei in diesem Fall ausreichend durch die Möglichkeit des Widerspruchs gewahrt.

Für eine folgende Gegenäußerung des Antragstellers sei im Einzelfall auch eine Rekursbeantwortung ausreichend.

Darüber hinaus sei eine Erwiderung auch dann nicht notwendig, wenn sie nur die schlichte Behauptung des Antragsgegners, der Sicherungsantrag sei unrichtig und eine Forderung der Aufnahme neuer Bescheinigungsmittel enthalte. Anderes gelte, wenn tatsächlich neue Tatsachen oder Rechtsausführungen vorgebracht wurden und hierzu Stellung bezogen wird.

Im vorliegenden Fall bestritt die Beklagte, überhaupt mit gesundheitlichen Wirkungen geworben zu haben. Davon abgesehen gab sie an, solche Wirkungsbehauptungen entsprächen der Wahrheit. Der OGH stellt fest, dass die Annahme des Rekursgerichts, die Werbung mit der gesundheitlichen Wirkung von Zirbenprodukten sei nicht (mehr) bescheinigt, lediglich auf der Würdigung von bereits erbrachten Beweisen basiert. Zudem habe sich die Klägerin ohnehin schon in ihrer Rekursbeantwortung zur Sachlage ausreichend geäußert. Eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör sei daher nicht ersichtlich.

Sodann hatte der OGH eine mögliche Wiederholungsgefahr zu prüfen. Grundsätzlich wird Wiederholungsgefahr bereits durch den ursprünglichen Verstoß indiziert. Der Beklagte muss aktiv tätig werden, um die Annahme einer solchen endgültig auszuräumen und einen ernstlichen Beweis für ihr Fehlen erbringen. Mit Hinweis darauf, dass tatsächlich mit der Bezeichnung als „Original“ und des Tirol-Logos geworben wurde, erkennt der OGH, dass das bloße Löschen an sich und das Verhalten der Beklagten in seiner Gesamtheit nicht ausreichend seien, um die Annahme einer Wiederholungsgefahr auszuräumen.

Beschluss des OGH zu 4 Ob 25/22p

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Dr. Nowotny und Hon.-Prof. PD Dr. Rassi sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei K* GmbH, *, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. H* Kommanditgesellschaft, 2. H* L*, 3. C* S*, 4. H* GmbH, 5. T* Z*, 6. M* B*, vertreten durch Dr. Walter Müller und andere Rechtsanwälte in Linz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten
Parteien Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Franz Martin Orou, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 142.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 12. Jänner 2022, GZ 2 R 191/21b-21, womit der Beschluss
des Landesgerichts Wels vom 25. November 2021, GZ 26 Cg 69/21g-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts (ausgenommen die Kostenentscheidung) gegenüber der erstbeklagten Partei zu den Punkten 1.) und 2.) wiederhergestellt und insoweit auch hinsichtlich der zweit- bis sechstbeklagten Parteien erlassen wird und der Sicherungsantrag zu 3.) gegen sämtliche beklagten Parteien abgewiesen wird.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen haben daher insgesamt zu lauten wie folgt:

„1.) Zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten Partei auf Unterlassung der Werbung mit dem Tirol-Logo, dargestellt auf Beilage ./A, welche Urkunde einen integrierenden Bestandteil dieses Beschlusses bildet, zu Zwecken des Wettbewerbs, worauf die Klage gerichtet ist, wird den Gegnern der gefährdeten Partei ab sofort bis zur rechtskräftigen Entscheidung der auf Unterlassung gerichteten Klage verboten, zu Zwecken des Wettbewerbs mit dem Tirol-Logo, dargestellt auf Beilage ./A, welche Urkunde einen integrierenden Bestandteil dieses Beschlusses bildet, zu werben, sofern die Gegner der gefährdeten Partei oder deren Lieferant/Lieferantin nicht über ein entsprechendes Lizenzrecht verfügen.

2.) Zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten Partei auf Unterlassung der Werbung mit dem Begriff ′Original′, worauf die Klage gerichtet ist, wird den Gegnern der gefährdeten Partei ab sofort bis zur rechtskräftigen Entscheidung der auf Unterlassung gerichteten Klage verboten, zu Zwecken des Wettbewerbs mit dem Begriff ′Original′ zu werben, sofern die Gegner der gefährdeten Partei oder deren Lieferant/Lieferantin nicht Erfinder oder Urheber dieses Produkts sind oder das Produkt über einen aufrechten Design- oder Musterschutz verfügt.

3.) Hingegen wird das Mehrbegehren, zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten Partei auf Unterlassung der Werbung mit dem medizinischen, antibakteriellen und schädlingshemmenden Wirkungen des Zirbenholzes, zu Zwecken des Wettbewerbs, worauf die Klage gerichtet ist, werde den Gegnern der gefährdeten Partei ab sofort bis zur rechtskräftigen Entscheidung der auf Unterlassung gerichteten Klage verboten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Behauptung zu werben, dass Zirbenholz Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen habe und antibakteriell, schädlingshemmend, sowie desinfizierend wirke, dies insbesondere durch die Verwendung von nachstehenden, sowie sinngleichen und -ähnlichen Aussagen

• ′gesundheitsfördernde Wirkung′

• ′erholsamer Schlaf′

• ′besseres Hautbild′

• ′antibakteriell′

• ′gegen Bakterien und Viren′

• ′desinfizierend′

• ′schädlingshemmend′,

wenn diese Behauptungen nicht oder nicht hinreichend wissenschaftlich belegt sind,

abgewiesen.“

Die klagende Partei hat zwei Drittel ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens vorläufig und ein Drittel davon endgültig selbst zu tragen und ist schuldig, den beklagten Parteien und der Nebenintervenientin jeweils 1/3 ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar den erst- bis sechstbeklagten Parteien zur ungeteilten Hand 1.801,06 EUR (darin 300,18 EUR USt) an Kosten für die Äußerung und
die Revisionsrekursbeantwortung, der Erstbeklagten 1.834,68 EUR (darin 115,03 EUR USt und 1.144,50 EUR Barauslagen) an Rekurskosten, den zweit- bis sechstbeklagten Parteien zur ungeteilten Hand 862,51 EUR (darin
143,75 EUR USt) an Rekursbeantwortungskosten und der Nebenintervenientin 2.662,80 EUR (darin 253,05 EUR USt und 1.144,50 EUR Barauslagen) an Rekurs- und Revisionsrekursbeantwortungskosten.

Begründung

[1]       Die gefährdete Partei (in der Folge: Klägerin) vertreibt insbesondere über ihren Online-Shop und über Amazon Produkte aus Zirbenholz, insbesondere Zirbenwürfel, Wasserkaraffen, Äpfel und Birnen sowie Kugeln und Zirbenkissen. Die Erstgegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge: Erstbeklagte) bietet in ihren Filialen und online ebenfalls zeitweise Waren aus Zirbenholz zum Verkauf an. Die Zweit- bis Sechstgegner der gefährdeten Partei (in der Folge: Zweit- bis Sechstbeklagte) sind unbeschränkt haftende Gesellschafter der Erstbeklagten. Die von der Erstbeklagten vertriebenen Zirbenprodukte werden von einer Produzentengruppe rund um die Nebenintervenientin produziert und zugeliefert. Diese Produzentengruppe befindet sich mit der Klägerin seit Jahren in diversen Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Zirbenprodukten, insbesondere deren Bewerbung, deren Schutz als Geschmacksmuster, etc. Anfang 2021 schlossen diese Parteien einen Vergleich, wonach sie sich im Falle möglicher Rechtsverstöße vor der Einbringung von Klagen oder Exekutionen gegenseitig warnen.

[2]          Mit Klage und Sicherungsantrag vom November 2021 wirft die Klägerin den Beklagten vor, unberechtigt

         1) mit folgendem Logo zu werben

ohne über ein entsprechendes Lizenzrecht zu verfügen,

         2) mit dem Begriff „Original“ zu werben, ohne Erfinder oder Urheber der Produkte zu sein und ohne, dass diese über einen aufrechten Design- oder Musterschutz verfügten,

         3) mit der Behauptung zu werben, dass Zirbenholz Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen habe und antibakteriell, schädlingshemmend und desinfizierend wirke.

[3]          Die Beklagten bestritten die vorgeworfenen Verstöße gegen das Lauterkeitsrecht.

[4]          Das Erstgericht erließ die beantragte, auf Unterlassung gerichtete, einstweilige Verfügung gegen die Erstbeklagte und wies den Sicherungsantrag gegen die übrigen Beklagten ab. Es bejahte die Irreführung nach § 2 UWG, weil die Beklagten keine aufrechte Lizenz des Markeninhabers für die Verwendung der Marke habe, weil die Verwendung des Zusatzes „Original“ den falschen Eindruck vermittle, die so beworbenen Öle stammten vom Erfinder oder ersten Erzeuger oder seien nach einer Rezeptur des Zirbenöl-Erfinders hergestellt worden, und weil die verwendeten Werbeaussagen betreffend die medizinischen Wirkungen der Zirbe wissenschaftlich nicht hinreichend belegt seien. Dass die Zweit- bis Sechstbeklagten die Möglichkeit gehabt hätten, gegen die Lauterkeitsverstöße einzuschreiten, sei hingegen nicht bescheinigt.

[5]                     Das Rekursgericht gab (nur) dem Rekurs der Erstbeklagten und der Nebenintervenientin (nicht aber jenem der Klägerin) Folge und wies den Sicherungsantrag insgesamt ab, bemaß den Wert des Streitgegenstands mit jeweils 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Es ergänzte den bescheinigten Sachverhalt dahingehend, dass die Erstbeklagte von einem Unternehmen aus ihrem eigenen Bereich darauf hingewiesen worden sei, dass sie bei ihrer Werbung alte Fotos verwende. Darauf habe die Erstbeklagte die alten Werbematerialien mit dem Vermerk „Original“ und der Marke „Tirol“ gelöscht und beseitigt, dies noch vor der Beanstandung durch die Klägerin. Aufgrund der unwiederbringlichen Löschung der Lichtbilder könne ein weiterer Werbefehler nicht mehr auftreten. Durch die Berichtigungsmaßnahmen habe die Erstbeklagte ihre Sinnesänderung nach außen klar zum Ausdruck gebracht, sie habe ein aktives Verhalten gesetzt und die alten Lichtbilder gelöscht, sodass bezüglich der Verwendung des Logos „Tirol“ und des Begriffs „Original“ die Wiederholungsgefahr fehle. Was den Unterlassungsanspruch zur Werbung mit der medizinischen Wirkung der Zirbenprodukte betreffe, so scheitere dieser am Fehlen einer ausreichenden Bescheinigung, zumal nicht bescheinigt sei, dass die Erstbeklagte am 22. 9. 2021 auf ihrer Homepage oder am 21. 10. 2021 in einer Presseaussendung das Produkt Zirbenöl und einen Brotkasten aus Zirbenholz mit auf die Gesundheit des Menschen bezogenen medizinischen Wirkungen beworben habe.

[6]          Die Klägerin beantragt mit ihrem
– nach Freistellung von den Beklagten beantworteten – außerordentlichen Revisionsrekurs die Erlassung der ursprünglich begehrten einstweiligen Verfügung gegen alle sechs Beklagten, in eventu Wiederherstellung der erstgerichtlichen Sicherungsverfügung, in eventu Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung zwecks Verfahrensergänzung. Das Verfahren sei nichtig, in eventu mangelhaft, weil die Klägerin keine Möglichkeit gehabt habe, zur Äußerung der Beklagten, insbesondere zu den damit vorgelegten Bescheinigungsmitteln, Stellung zu nehmen. Überdies liege unrichtige rechtliche Beurteilung vor, weil die Änderung der Homepage nicht ausreichend sei, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Beklagten im Verfahren weiterhin behaupten würden, zur Bewerbung der Produkte mit dem „Tirol“-Logo, dem Begriff „Original“ und gesundheitsbezogenen Wirkungen der Zirbe berechtigt zu sein.

Rechtliche Beurteilung

[7]          Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

         1. Zur behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs

[8]          1.1. Im Zusammenhang mit Punkt 3) des Sicherungsantrags (gesundheitsbezogene Wirkungen der Zirbe) hat die Erstbeklagte aufgrund des vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalts (an den der Oberste Gerichtshof gebunden ist) die beanstandete Lauterkeitswidrigkeit nicht begangen. Diesbezüglich macht jedoch die Klägerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil sie nicht die Möglichkeit gehabt hätte, zu den Äußerungen der Beklagten in erster Instanz Stellung zu nehmen.

[9]          1.2. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 15. 10. 2009, Bsw 17056/06, Micallef gegen Malta (RIS-Justiz RS0127445), gelten die Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK unter bestimmten Voraussetzungen auch für das Provisorialverfahren, nämlich wenn das Verfahren zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen betrifft und die Sicherungsmaßnahme geeignet ist, diese zu bestimmen.

[10]       1.3. Zu den Garantien des Art 6 Abs 1 EMRK gehören die Waffengleichheit und die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Das rechtliche Gehör ist gewahrt, wenn den Parteien Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen, und wenn sie sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen äußern können, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen (RS0005915 [T17]). Die Beurteilung der Fairness eines Verfahrens hat nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen und das gesamte Verfahren zu erfassen (vgl RS0074920 [T4]). Das rechtliche Gehör wird deshalb nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wird, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Das Gericht hat daher den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekannt zu geben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen (RS0074920 [T1]).

[11]                    1.4. In dringenden Fällen ist zwar weiterhin die einseitige Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners möglich, weil der nachfolgend vorgesehene Widerspruch das rechtliche Gehör sicherstellt. Im Regelfall und jedenfalls immer dann, wenn sich ein Gericht für die Zweiseitigkeit des Sicherungsverfahrens (durch Einräumung einer schriftlichen Äußerungsmöglichkeit an die Gegenseite oder Anberaumung einer mündlichen Verhandlung) entschieden hat, sind aber die Garantien des Art 6 Abs 1 EMRK auch im Provisorialverfahren voll anwendbar (17 Ob 11/10g).

[12]                    1.5. Wird das rechtliche Gehör im Provisorialverfahren dadurch verletzt, dass die Anhörung des Gegners unterblieben ist, obwohl kein dringender Fall (als Ausnahme für die Zweiseitigkeit) vorlag, bildet dies keinen Nichtigkeitsgrund, sondern nur einen bloßen Verfahrensmangel, weil nur die Verletzung einer absolut (im Sinne von ausnahmslos) angeordneten Gehörgewährung
mit Nichtigkeit bedroht ist (16 Ok 14/13; 6 Ob 145/21y, EvBl-LS 2022/14 [Painsi]; FL OGH 01.CG.2020.246; vgl auch 17 Ob 11/10g: Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, wenn das Rekursgericht Bescheinigungsmittel verwendet, zu denen die gefährdete Partei mangels Zweiseitigkeit des Sicherungsverfahrens noch nicht Stellung nehmen konnte; vgl auch 16 Ok 12/13: Verletzung des Rechts auf Replik begründet nur Mangelhaftigkeit). König/Weber (Einstweilige Verfügungen6 Rz 6.42/1) verweisen ergänzend darauf, dass die amtswegige Wahrnehmung eines Nichtigkeitsgrundes unter Umständen auch den Interessen des Antragsgegners widersprechen kann, wenn er eine rasche inhaltliche Entscheidung über den Sicherungsantrag anstrebt.

[13]                    1.6. Durch die weitgehende Anwendbarkeit des Art 6 EMRK auf das Provisorialverfahren ist grundsätzlich auch eine mündliche Verhandlung (vgl auch § 396 EO: „Bewilligung verkündet“; vgl auch Materialien I 593: „Verhandlung“) möglich und sinnvoll. Anders als bei der schriftlichen Anhörung wird sich hier freilich öfter argumentieren lassen, dass diese aufgrund der Dringlichkeit nicht möglich ist (Kodek in Deixler-Hübner, EO § 390 Rz 20a).

[14]                    Unter dem Aspekt des Art 6 EMRK ist eine mündliche Verhandlung allerdings nicht unter allen Umständen unbedingt geboten (RS0074920 [T10]; 4 Ob 106/18vOhne Gefahrenbescheinigung; OLG Wien 133 R 52/19y, ÖBl 2020/39 [Anzenberger]). In der Regel wird jedenfalls eine mündliche Verhandlung unterbleiben können, wenn es in hohem Maße um „technische“ Fragen geht, insbesondere bei reinen Rechtsfragen und unstrittigem Sachverhalt (vgl König/Weber, Einstweilige Verfügungen6 Rz 6.42/4; Kodek in Deixler-Hübner, EO § 390 Rz 20b; 1 Ob 61/10t, JBl 2010, 601 [König]; vgl auch EGMR 9. 6. 2016, 44.164/14, Madaus/ Deutschland, NLMR 2016/3, 238).

[15]                    1.7. Sofern keine mündliche Verhandlung stattfindet, kann die nach Art 6 EMRK gebotene Gehörgewährung durch Einräumung einer schriftlichen Äußerungsmöglichkeit erfolgen. Macht der Gegner der gefährdeten Partei von der ihm eingeräumten Äußerungsmöglichkeit Gebrauch, so ist das Gericht nach früherer Auffassung nicht verpflichtet, diese Äußerung der gefährdeten Partei zur Stellungnahme zuzustellen (Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung 105;
E. Kodek in Angst/Oberhammer, EO3 § 389 Rz 24; 4 Ob 91/89, ÖBl 1990, 32 = RZ 1990/26; 4 Ob 218/97f, ÖBl 1998, 291; 6 Ob 21/99b, MR 1999, 76; vgl auch 6 Ob 148/97a, wonach andernfalls eine „uferlose Ausweitung“ des Provisorialverfahrens drohe). Dies soll auch dann gelten, wenn das Rekursgericht aus den mit der Äußerung des Gegners vorgelegten Urkunden weitere Feststellungen trifft (Zechner, Sicherungsexekution 105; 6 Ob 21/99b, MR 1999, 76).

[16]                    1.8. Diese Auffassung lässt sich in Hinblick auf die Entscheidung des EGMR im Fall Micallef/Malta nicht aufrechterhalten (Kodek in Deixler-Hübner, EO § 390 Rz 20; E. Kodek in Angst/Oberhammer, EO³ § 389 Rz 24; Mann-Kommenda, Rechtliches Gehör 140 ff). Dem Antragsteller ist – schon wegen des Fehlens eines Widerspruchs und wegen des im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbots (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG² § 24 Rz 69) – Gehör zu gewähren („Recht auf Replik“: König/Weber, Einstweilige Verfügungen6 Rz 6.42/3; Mann-Kommenda, Rechtliches Gehör 140 ff; anders noch 4 Ob 93/02h, ÖBl-LS 2002/157 und 9 ObA 44/11b).

[17]       Nach dem – aus Art 6 EMRK abgeleiteten – Grundsatz der Waffengleichheit muss sich jede Partei zu allen Eingaben und Beweismitteln ihres Gegners äußern können (vgl EGMR 6. 2. 2001, 30428/96, Beer/Österreich Rz 18; EGMR 15. 7. 2010, 38663/06, Mladoschovitz/Österreich; Mann-Kommenda, Rechtliches Gehör 142). Hingegen besteht ein Recht des Antragsgegners, auf eine allfällige Replik der gefährdeten Partei „duplizieren“ zu können, nur dann, wenn dadurch der Zweck der einstweiligen Verfügung nicht vereitelt wird; andernfalls wird das Recht auf Gehör durch den Widerspruch gewahrt (König/Weber, Einstweilige Verfügungen6 Rz 6.42/3; 4 Ob 132/05y MietSlg 57.826).

[18]       Eine Erörterung des Parteivorbringens, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu geben, sein Vorbringen zu ergänzen, kommt im Verfahren zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen nicht in Betracht (vgl RS0005452 [T11]). Jedoch ist der gefährdeten Partei auf eine Äußerung des Gegners hin – schon wegen des Fehlens eines Widerspruchs (mit Neuerungserlaubnis) – Gehör zu gewähren (Recht auf Replik); dies jedenfalls dann, wenn in der Äußerung neue erhebliche Gegeneinwendungen oder Tatsachen bescheinigt worden sind (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 24 Rz 69; vgl auch 1 Ob 61/10t).

[19]       1.9. Beabsichtigt das Rekursgericht daher in einem zweiseitig geführten Sicherungsverfahren, seine Entscheidung auf Beweismittel zu stützen, zu denen die gegnerische Partei in erster Instanz nicht Stellung nehmen konnte, muss es dieser vor seiner Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung geben (RS0126204). Diesem Zweck kann aber im Einzelfall auch die Stellungnahme in einer Rekursbeantwortung genügen (vgl 4 Ob 56/12g). Der in der Literatur geäußerten Gefahr eines „perpetuum mobile“ (Wiltschek, ÖBl 2011, 1) kann gegebenenfalls durch Abhaltung einer mündlichen Verhandlung in erster oder auch zweiter Instanz (insoweit ungeachtet § 526 Abs 1 ZPO, vgl RS0122288) begegnet werden.

[20]       Eine Gegenäußerung des Antragstellers wird überdies dann nicht erforderlich sein, wenn der Antragsgegner in seiner Äußerung schlicht behauptet, das Vorbringen im Sicherungsantrag sei unrichtig und dazu die Aufnahme entsprechender Bescheinigungsmittel beantragt. Bringt der Antragsgegner in seiner Äußerung hingegen neue Tatsachen oder Rechtsausführungen vor, die der Antragsteller
bislang gar nicht angesprochen hat, so wird es in der
Regel angemessen erscheinen, letzterem eine Stellungnahmemöglichkeit einzuräumen (vgl Mann-Kommenda, Rechtliches Gehör in Sicherungs- und Exekutionsverfahren, Die Anforderungen des Art 6 EMRK an ein faires Verfahren [2017], 142).

[21]       1.10. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten in ihrer Äußerung gegen den Sicherungsantrag der Klägerin bestritten, dass sie Zirbenprodukte mit irgendwelchen Wirkaussagen beworben hätten. Im Übrigen würden solche Aussagen aber richtig sein. Wenn in der Folge das Rekursgericht die Bewerbung der Zirbenprodukte mit Wirkaussagen tatsächlich nicht (mehr) als bescheinigt erachtete, so erfolgte dies nicht aufgrund eines neuen Sach- oder Rechtsvorbringens der Erstbeklagten, sondern schlicht auf Basis von Beweiswürdigungsüberlegungen im Zusammenhang mit den von der Klägerin vorgelegten Urkunden. Im Übrigen hat sich die Klägerin ohnehin in ihrer Rekursbeantwortung (auch) zu sämtlichen Sach- und Rechtsausführungen in der Äußerung der Beklagten geäußert. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin ist daher im vorliegenden Fall zu verneinen.

                  2. Wiederholungsgefahr

[22]       2.1. Bei der Prüfung, ob Wiederholungsgefahr vorliegt, darf nicht engherzig vorgegangen werden (RS0037673). Hat der Beklagte bereits gegen das Gesetz verstoßen, wird sie grundsätzlich vermutet (RS0037661); für den ausnahmsweisen Wegfall der Wiederholungsgefahr trifft ihn dann die Beweislast (RS0005402). Er muss daher besondere Umstände dartun, die eine Wiederholung seiner Handlung als ausgeschlossen erscheinen lassen (RS0080065; 4 Ob 156/20z mwN).

[23]       2.2. Nach der Rechtsprechung wird der Wegfall der Wiederholungsgefahr in der Regel nur dann
angenommen, wenn der Verletzer einen den
gesamten Unterlassungsanspruch (samt dem berechtigten Veröffentlichungsanspruch) umfassenden, an keinerlei Bedingungen und Einschränkungen geknüpften gerichtlichen Unterlassungsvergleich anbietet bzw abschließt und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seiner Willensänderung bestehen (RS0079962; RS0079898).

[24]                    2.3. Im vorliegenden Fall hat die Erstbeklagte unstrittig ihre Produkte online mit dem „Tirol“-Logo und dem „Original“-Zusatz beworben (Beilage ./L) und damit einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 2 UWG begangen. Wenn sie danach auch diese Lichtbilder „unwiederbringlich“ löschte, so ist damit noch nicht dargetan, dass eine Wiederholung dieser Wettbewerbshandlung ausgeschlossen ist, sind doch Internetdaten bekanntlich stets reproduzierbar. Zur Bejahung der Wiederholungsgefahr genügt die ernste Besorgnis weiterer Eingriffe in die vom Kläger behaupteten Rechte (RS0037673). Nach dem Verhalten der Erstbeklagten in seiner Gesamtheit, das eine eindeutige Anerkennung der Lauterkeitswidrigkeit des von ihr gesetzten Verhaltens vermissen lässt, ist diese Gefahr nicht ausgeräumt (vgl RS0012087).

[25]                    2.4. Hinsichtlich der Punkte 1.) („Tirol“-Logo) und 2.) („Original“) des Sicherungsantrags ist daher die Wiederholungsgefahr trotz des vom Rekursgericht ergänzend angenommenen bescheinigten Sachverhalts gegeben. Der Sicherungsantrag gegen die Erstbeklagte ist daher insoweit berechtigt.

         3. Haftung der Zweit- bis Sechstbeklagten

[26]       3.1. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag gegen die Zweit- bis Sechstbeklagten mit der Begründung ab, es sei nicht behauptet und bescheinigt worden, dass die Zweit- bis Sechstbeklagten die Möglichkeit gehabt hätten, gegen die Lauterkeitsverstöße einzuschreiten. Wegen der Verneinung des Anspruchs gegen die Erstbeklagte musste sich das Rekursgericht mit der Haftung der Zweit- bis Sechstbeklagten nicht mehr näher auseinandersetzen.

[27]                    3.2. Es trifft zwar zu, dass sich der Unterlassungsanspruch gegen einen unbeschränkt haftenden Gesellschafter nicht aus den Haftungsbestimmungen des Personengesellschaftsrechts (§§ 128, 161 UGB), sondern aus der regelmäßig bestehenden Möglichkeit des Gesellschafters ergibt, das rechtswidrige Verhalten der Gesellschaft zu unterbinden (RS0112076 [T4]). Diese Möglichkeit der Zweit- bis Sechstbeklagten ist jedoch im vorliegenden Fall (mangels gegenteiliger Bescheinigung) anzunehmen:

[28]       3.3. Bei den beanstandeten Verhaltensweisen (Logo „Tirol“, Werbung mit „Original“) handelt es sich um Geschäftsführungsmaßnahmen. Die unbeschränkt haftenden Gesellschafter sind ex lege einzeln geschäftsführungsbefugt, bei Widerspruch eines Gesellschafters zu Geschäftsführungsmaßnahmen eines anderen muss die Handlung unterbleiben (§ 115 Abs 1 zweiter Halbsatz UGB). Ex lege ist daher jeder Komplementär in der Lage, gegen Lauterkeitsverstöße eines anderen einzuschreiten. Zwar
sind diese gesetzlichen Bestimmungen dispositiv und
die Gesellschafter könnten davon abweichende Geschäftsführungsbestimmungen vereinbaren. Derartige Vereinbarungen sind aber nicht publik, weil der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft (etwa im Firmenbuch) nicht offengelegt werden muss und
die Geschäftsführungsbefugnis (im Gegensatz zur Vertretungsbefugnis) auch kein Gegenstand einer Firmenbucheintragung ist. Es wäre daher im vorliegenden Fall an den Zweit- bis Sechstbeklagten gelegen, zu behaupten und zu bescheinigen, dass ihnen ungeachtet der einschlägigen Normen des UGB ein Einschreiten gegen Lauterkeitsverstöße nicht möglich gewesen wäre, etwa weil sie gesellschaftsvertraglich von der Geschäftsführung ausgeschlossen seien.

[29]       3.4. Derartige Behauptungen wurden nicht aufgestellt, sodass von einer Haftung der Zweit- bis Sechstbeklagten für die Lauterkeitsverstöße der Erstbeklagten auszugehen ist (vgl auch 4 Ob 96/19z Pkt 3).

[30]       4. Zusammenfassend besteht daher das Sicherungsbegehren der Klägerin hinsichtlich sämtlicher Beklagten zu 1.) und 2.) zu Recht und zu 3.) nicht zu Recht. Dem Revisionsrekurs der Klägerin ist daher teilweise Folge zu geben und der angefochtene Beschluss dahin abzuändern, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts gegenüber der Erstbeklagten zu den Punkten 1.) und 2.) wiederherzustellen und insoweit auch hinsichtlich der Zweit- bis Sechstbeklagten zu erlassen und der Sicherungsantrag zu 3.) gegen sämtliche Beklagten abzuweisen ist.

[31]       5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Die Klägerin ist mit zwei von drei Ansprüchen durchgedrungen, sodass sie 2/3 ihrer Kosten vorläufig und 1/3 endgültig selbst zu tragen und den Beklagten und der Nebenintervenientin jeweils 1/3 ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen hat.

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